Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 1095
Die Vergütung der geleisteten Überstunden lässt sich auf unterschiedliche Weise gestalten; die Entscheidung für ein bestimmtes Vergütungsmodell hängt dabei von den betrieblichen Bedürfnissen ab. In jedem Fall muss sichergestellt sein, dass der Mindestlohn für die insgesamt geleistete Arbeitszeit gemäß § 1 MiLoG nicht unterschritten wird. Abgeltungsvereinbarungen sollten daher grundsätzlich den gesetzlichen Mindestlohn ausdrücklich unberührt lassen; anderenfalls sind sie nicht nur gemäß § 3 MiLoG insoweit unwirksam, als der Mindestlohn unterschritten wird, sie könnten, sofern sie nach Inkrafttreten des MiLoG am 1.1.2015 vereinbart worden sind, auch als intransparent i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB angesehen werden.
Rz. 1096
Es ist möglich, Überstunden entsprechend dem tatsächlich erbrachten Umfang stundenweise zu vergüten. Dabei muss die Vergütung für die Überstunden nicht dem Stundensatz entsprechen, der für die regelmäßige Arbeitszeit gezahlt wird. Zulässig ist auch eine über- oder (innerhalb der Grenzen des § 138 BGB) unterproportionale Vergütung. Diese Vergütungsform bietet sich insbesondere dann an, wenn eine geregelte Arbeitszeiterfassung durchgeführt wird, die es ermöglicht, erbrachte Überstunden auch tatsächlich nachzuvollziehen.
Rz. 1097
Denkbar ist auch eine pauschale Vergütung der geleisteten Überstunden; diese verhindert, dass der Arbeitgeber nachträglich mit einer "Spitzabrechnung" konfrontiert wird, befreit ihn allerdings nicht von der Verpflichtung zur Erfassung der Arbeitszeit. Pauschale Vergütungsvereinbarungen sind grds. zulässig, ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass jede Überstunde individuell vergütet werden muss, besteht nicht. Die Vereinbarung muss aber unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen (siehe Rdn 1089) hinreichend transparent sein; eine Klausel zur Pauschalvergütung von Überstunden ist nur klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistung in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden soll. Im Falle der Kombination mit einer einseitigen Anordnungsbefugnis muss die Regelung auch inhaltlich angemessen sein. Bei kombinierten Anordnungs- und Vergütungsklauseln sollte daher Wert darauf gelegt werden, dass die Pauschalzahlung einen insgesamt angemessenen Ausgleich für die geleisteten Überstunden darstellt. Dabei begründet die Pauschalzahlung nicht bereits dann eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers, wenn die Überstunden mit einem geringeren Entgelt vergütet werden als die regelmäßigen Arbeitsstunden, da die Pauschale auch bei fehlender Leistung von Überstunden gezahlt wird und insoweit auch für den Arbeitnehmer Vorteile begründet. Ausreichend ist es daher, wenn die Höhe der Pauschalzahlung angesichts der Anzahl der tatsächlich geleisteten Überstunden bei längerfristiger Beurteilung einen insgesamt noch angemessenen Ausgleich darstellt. Wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ist allerdings die unterschiedliche Vergütung von Überstunden – Pauschalvergütung bei Arbeitnehmern, die "regelmäßig" Überstunden leisten, und "Spitzabrechnung" bei jenen, die "unregelmäßig" Überstunden leisten, unzulässig.
Rz. 1098
Die Vereinbarung einer Pauschalzahlung hat allerdings den Nachteil, dass eine Änderung der Verhältnisse oftmals eine Anpassung der Vereinbarung erforderlich machen wird. Dem kann durch eine entsprechende Anpassungsvereinbarung Rechnung getragen werden, die den Übergang von der Pauschalzahlung zur individuellen Abgeltung der Überstunden erlaubt, wenn das Verhältnis zwischen Überstunden und Pauschalzahlung für eine Vertragspartei nicht mehr angemessen erscheint. Eine Begrenzung der abgegoltenen Überstunden aus Gründen der Angemessenheit ist in diesem Fall nicht erforderlich, da der Arbeitnehmer eine etwaige Unangemessenheit durch den Übergang zur konkreten Abrechnung jederzeit beseitigen kann. Dabei dürfte die Berechtigung des Arbeitgebers, die Überstunden wahlweise durch Geld oder Freizeit auszugleichen, der Angemessenheitskontrolle gem. § 307 BGB ebenfalls standhalten, da beide Ausgleichsmöglichkeiten gleichwertig sind. Bei der Ausübung des Wahlrechts hat der Arbeitgeber jedoch gem. § 315 BGB billiges Ermessen zu wahren, und dabei insbesondere die Freistellung so rechtzeitig anzukündigen, dass der Arbeitnehmer diese auch sinnvoll nutzen kann.