Martin Brock, Dr. Katja Francke
aa) Allgemeines
Rz. 1522
Der Vertragsgestaltung im Bereich der Verschwiegenheitspflichten war in der Vergangenheit nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden: Die üblichen Klauseln untersagten weitgehend die Weitergabe und/oder Verwertung von Betriebs-und Geschäftsgeheimnissen, dieser Begriff wurde durch umfangreiche deskriptive Aufzählungen näher erläutert.
Diese Art der Vertragsgestaltung reagierte auch auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der eine ohnehin weite nebenvertragliche Verschwiegenheitspflicht galt und dies, mit Einschränkungen, auch nach dem Ende des Anstellungsvertrages. Im Gegenzug hielt das Bundesarbeitsgericht eine vertragliche Erweiterung dieser vertraglichen Nebenpflicht nur in sehr engen Grenzen für überhaupt möglich. Insbesondere wurde die vertragliche Regelung von Verschwiegenheitspflichten beschränkt auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, wobei dieser Begriff des Betriebs-und Geschäftsgeheimnisses recht weit war.
Rz. 1523
Häufig übersehen wurde in diesem Zusammenhang auch der grundlegende Charakter des §§ 17 UWG – der unverständlicherweise in den meisten gängigen arbeitsrechtlichen Textsammlungen nicht einmal erhalten war – für den Schutz der Betriebs-und Geschäftsgeheimnisse.
Diese Situation hat sich nunmehr grundlegend geändert. In Umsetzung der europäischen Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraglicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnissen) vor rechtswidrigen Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung RL EU 2016/943) gilt ab dem 18.4.2019 das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG). Dieses Gesetz erfordert, auch in der Gestaltung von Arbeitsverträgen, eine grundlegende Neuorientierung.
bb) Definition des Geschäftsgeheimnisses
Rz. 1524
Das GeschGehG enthält erstmals eine Legaldefinition des Geschäftsgeheimnisses in § 2 Nr. 1 GeschGehG. Demnach ist ein Geschäftsgeheimnis eine Information
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die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Information umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und |
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die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und |
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bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht. |
Rz. 1525
Die praktisch bedeutsamste Neuregelung ist das Erfordernis der objektiv feststellbaren angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch den Geheimnisinhaber nach § 2 Nr. 1b) GeschGehG. Diese Voraussetzung stellt eine Verschärfung im Vergleich zur bisherigen (nicht normierten) Definition von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach der Rechtsprechung dar. Denn nach dieser war lediglich ein subjektiver Geheimhaltungswille erforderlich, welcher in irgendeiner Form zumindest konkludent nach außen vordringt. Für Betriebsinterna wurde dieser Wille grundsätzlich vermutet, solange ein Wille zur Offenbarung nicht erkennbar war. In der Praxis waren diese Voraussetzungen so gut wie nie problematisch.
Rz. 1526
Nach der neuen Definition trifft den Arbeitgeber nun die Obliegenheit angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen, welche im Zweifelsfall zu beweisen sind und daher stets dokumentiert werden müssen. Die Voraussetzungen für die Angemessenheit von Geheimhaltungsmaßnahmen regelt das Gesetz nicht. Die Begründung zum Regierungsentwurf führt hierzu lediglich aus, dass die Art der Geheimhaltungsmaßnahme von der Art des Geschäftsgeheimnisses im Einzelnen und den konkreten Umständen der Nutzung abhängt. Die Angemessenheit richtet sich u.a. nach dem Wert und der Natur des Geheimnisses, der Größe des Unternehmens, den Kosten und der Üblichkeit von Geheimhaltungsmaßnahmen im Unternehmen.
cc) Ist eine vertragliche Verpflichtung zum Schutz von vertraulichen Informationen auch unterhalb der Schwelle des Geschäftsgeheimnisses möglich?
Rz. 1527
Für vertrauliche Informationen, die die Voraussetzungen des Geschäftsgeheimnisses im Sinne des GeschGehG erfüllen, bietet die gesetzliche Regelung einen guten und umfassenden Schutz. Schwierigkeiten können sich allerdings ergeben für vertrauliche Informationen, die, gerade bei einem Fehlen von angemessenen Schutzmaßnahmen, die Voraussetzungen für den gesetzlichen Schutz nicht erreichen. Sind solche vertraulichen Informationen nun schutzlos?
Rz. 1528
Es stellt sich damit die Frage, ob die zuvor erläuterten Nebenpflichten nach bisheriger Rechtsprechung neben dem GeschGehG Bestand haben, oder ob das GeschGehG die Geheimhaltungspflichten im Arbeitsverhältnis abschließend normiert. Wäre letzteres der Fall, so wäre der Schutz von Geschäftsgeheimnissen für den Arbeitgeber nicht zuletzt vor dem Hintergrund der hinzugekommenen Anforderung der Schaffung angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen deutlich erschwert.
Rz. 1529
Rechtsprechung zu dieser Frage liegt noch nicht vor, die ersten Stimmen im Schrifttum meinen jedoch...