Rz. 3
Mit dieser Neuregelung hat uns der Gesetzgeber einige Überraschungen zum Stiftungsbegriff und zur Verbrauchsstiftung beschert.
I. Der "Stiftungsbegriff"
Rz. 4
§ 80 Abs. 1 S. 1 BGB n.F. sieht eine Art Definition der Stiftung vor. Danach ist die Stiftung "eine mit einem Vermögen zur dauernden und nachhaltigen Erfüllung eines vom Stifter vorgegebenen Zwecks ausgestattete, mitgliederlose juristische Person."
Das ist neu, denn eine solche gesetzliche Definition gab es bisher im Stiftungsrecht nicht. In der Gesetzesbegründung wird der neue Stiftungsbegriff im Gesetz damit gerechtfertigt, die bisher fehlende gesetzliche Definition habe es "den Stiftern und anderen Rechtsanwendern" erschwert, "die Rechtsform Stiftung zu verstehen". Das habe "zu sehr unterschiedlichen Rechtsauffassungen über Stiftungen und ihr Organisationsrecht" geführt. Mit der Legaldefinition soll nun "das Stiftungszivilrecht auch unmittelbar für Stifter und Stiftungen selbst übersichtlicher und verständlicher geregelt" sein.
Das klingt für uns zunächst wenig überzeugend, denn nach unserer Erfahrung ist eine Legaldefinition in der Praxis bisher kaum einmal vermisst worden. Die Legaldefinition dürfte tatsächlich auch keine Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage mit sich bringen. Entsprechende Definitionen des "Stiftungsbegriffs" fand man bisher vor allem in der Fachliteratur.
Rz. 5
Trotz des an sich klaren Gesetzeswortlautes soll die neue Legaldefinition – jedenfalls ausweislich der Gesetzesbegründung – durchaus beträchtliche Folgen für die Praxis haben. Zur Aufnahme der Stiftungsdefinition in das Gesetz heißt es dort zunächst, aus "dieser für die Stiftung typischen Verknüpfung von Zweck und Vermögen [folgt], dass als Stiftungszweck nur ein solcher Zweck in Betracht kommt, der sich durch Nutzung eines Vermögens erfüllen lässt. Der Zweck einer Stiftung kann sich nicht in der Erhaltung des eigenen Vermögens erschöpfen."
Das ist eine apodiktische Behauptung. Sie ist jedenfalls in dieser Allgemeinheit ungenau. Denken wir beispielsweise nur an Stiftungsgestaltungen, die dem Erhalt von Kunstwerken oder der Erhaltung eines historischen Gebäudes dienen, das über Generationen im Eigentum einer Familie gestanden hat. Solche Fälle der Vermögenserhaltung, bei denen diese Kunstwerke oder das historische Gebäude im Eigentum der Stiftung stehen, sind Praxisfälle, und zwar ersichtlich sogar klassische Fälle einer Stiftung. Tatsächlich wird sich, im Gegensatz zur Annahme aus der Gesetzesbegründung, aber auch in diesen Fällen kaum einmal der Stiftungszweck in der bloßen Erhaltung der Vermögenswerte "erschöpfen". Die Gesetzesbegründung ist hier ausgesprochen theoretisch. Bei genauer Betrachtung wird sich in aller Regel nämlich zeigen, dass z.B. die Kunstwerke Betrachtern gezeigt werden und dass das historische Gebäude sehr wohl genutzt wird, etwa als der Mittel- und Treffpunkt einer Großfamilie.
Zu Recht wird zudem darauf hingewiesen, dass gerade das Gemeinnützigkeitsrecht viele Zwecke kennt, die sich auch ohne Nutzung eines Vermögens erfüllen lassen, was tagtäglich etwa durch die Arbeit zahlreicher Vereine unter Beweis gestellt wird. Tatsächlich muss nach dem Gesetzeswortlaut das Vermögen der Stiftung der Erfüllung ihres Zwecks dienen. Die Verfolgung eines Zwecks, der nur mit dem Einsatz von Vermögen erfüllt werden kann, setzt der Gesetzeswortlaut dagegen nicht voraus. Die Gesetzesbegründung stiftet hier also mehr Verwirrung, als dass sie für Klarheit sorgt.
Rz. 6
Dieser Punkt aus der Gesetzesbegründung erinnert sehr an die schon bisher geführte Diskussion zur "Selbstzweckstiftung", die sich leider überwiegend in Ableitungen aus diesem Schlagwort erschöpft und dort vor allem an das angebliche Verbot der Unternehmensselbstzweckstiftung. In diesem Zusammenhang wurde sogar – für uns tatsächlich nicht nachvollziehbar – behauptet, der Erhalt von Arbeitsplätzen begründe für sich betrachtet keinen eigenständigen Zweck, der über die wegen des angeblichen Verbotes der Selbstzweckstiftung nicht als Zweck ausreichende Verwaltung und Erhaltung der Unternehmenssubstanz hinausgehe. Das war schon damals mit Blick auf den Arbeitsmarkt und die Volkswirtschaft sowie mit Blick auf das Schicksal einzelner betroffener Mitarbeiter ersichtlich falsch.
So wenig, wie die betreffenden Argumente in der bisherigen Diskussion überzeugt haben, so wenig kann die Gesetzesbegründung heute überzeugen. Allein das Wiederholen alter Behauptungen legitimiert diese nicht. Das gilt auch dann, wenn die Wiederholung wie hier in einer Gesetzesbegründung steht. Eine solche Meinungsäußerung des Gesetzgebers kann als Wille des Gesetzgebers aufgrund des verfassungsrechtlichen Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 1, 2 GG) für die Gesetzesauslegung zwar auch maßgeblich sein, das ist aber eben nicht zwingend der Fall, handelt es sich bei ihr doch nur um eines von mehreren Instrumenten der Gesetzesauslegung. Das Ergebnis der Auslegung nach dieser Methode muss mit den durch die Anwendung der anderen Auslegungsmethoden ge...