Rz. 537
Rz. 538
Einer von mehreren Gesamtschuldnern kann sich gegenüber dem Verletzten auf einen Leistungsausschluss (Leistungsausschluss) berufen (Arbeitsunfall, Angehörigenprivileg, vertraglicher Haftungsausschluss, u.U. auch Verjährung oder Haftungsausschluss bzw. -minderung auf grobe Fahrlässigkeit u.ä.). Dieser privilegierte Schuldner ist also von der Leistung frei, so dass sich der Geschädigte an den Zweit-(Gesamt)Schuldner wendet, dem ein solches Verweigerungsrecht nicht zusteht.
Rz. 539
Dieser nicht-privilegierte Schuldner muss nun nach der gesetzlichen Regelung zunächst voll und uneingeschränkt leisten, danach hätte er den Gesamtschuldnerausgleich im Innenverhältnis zum anderen Gesamtschuldner durchzuführen. Da über den Weg des Gesamtschuldnerausgleiches aber die Leistungsstörung im Verhältnis zum Geschädigten nicht umgangen werden darf (dieses würde eine rechtlich unzulässige Belastung des Dritten bedeuten), kann sich daher der privilegierte Gesamtschuldner auch dem regressierenden Zweitschädiger gegenüber im Gesamtschuldnerinnenverhältnis ebenfalls auf seine Leistungsfreiheit berufen. Es gilt: Der privilegierte Schädiger soll und darf weder direkt noch indirekt in Anspruch genommen werden können.
Rz. 540
Da aber nicht der Zweitschädiger diese Störung im Gesamtschuldnerausgleich zu vertreten hat, sondern vielmehr der Geschädigte, ist auch die Lösung des Problems bei diesem (ferner auch bei seinen Rechtsnachfolgern) zu finden: Im Maße der Privilegierung kann der Verletzte seine Ansprüche nicht beim Zweitschädiger geltend machen. Ist neben dem privilegierten Schädiger also ein Zweiter für das Unfallgeschehen mit verantwortlich, kann der Geschädigte und dessen Rechtsnachfolger (Drittleistungsträger) die Ansprüche nur gekürzt um den Verantwortungsanteil des durch den Haftungsausschluss Privilegierten gegenüber dem Zweitschädiger geltend machen.
Rz. 541
Beispiel 2.34
Die Kollegen A und B kollidieren auf einer Dienstfahrt mit dem Fahrzeug des Z, der ihrem Fahrzeug die Vorfahrt genommen hatte. A, der sein Fahrzeug lenkte, war zu schnell. Alle drei Personen werden verletzt. Es handelt sich für A und B um einen Arbeits- bzw. Dienstunfall (Haftungsausschluss nach §§ 104 ff. SGB VII bzw. § 46 BeamtVG).
Die Haftung des Z beträgt 70 %.
Ergebnis:
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Ansprüche des Z gegen A |
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Materielle und immaterielle Sach- und Personenschadenansprüche werden unter Berücksichtigung einer Quote von 30 % seitens des A ausgeglichen. |
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Ansprüche des A gegen Z |
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A erhält materielle und immaterielle Sach- und Personenschadenansprüche nach einer Quote von 70 % von Z ersetzt. |
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Ansprüche des B
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B gegen A Etwaiger Sachschaden des B (z.B. beschädigte Kleidung) ist ihm vom A selbst zu 100 % auszugleichen. Wegen des bestehenden Haftungsausschlusses erhält B von A (bzw. dessen Haftpflichtversicherung) seine Personenschadenansprüche nicht ersetzt. |
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B gegen Z Etwaiger Sachschaden des B ist zu 100 % auszugleichen. Unter Berücksichtigung der Grundsätze der gestörten Gesamtschuld erhält B nur gekürzte Personenschadenansprüche. Materielle und immaterielle Personenschadenansprüche werden nur unter Berücksichtigung einer Haftungsquote von 70 % ausgeglichen. |
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Rz. 542
Die Störung wirkt sich dann nicht zu Lasten des Verletzten oder Hinterbliebenen aus, wenn im Innenverhältnis vom in Anspruch genommenen Zweitgesamtschuldner (Zweitschädiger) zum mit-schädigenden Arbeitskollegen der (nicht-privilegierte) Inanspruchgenommene allein haftet.
Rz. 543
Andererseits entfällt die Leistungspflicht des (nicht privilegierten) Zweitschädigers dann völlig, wenn der Privilegierte dem Zweitschädiger zur völligen Freistellung verpflichtet wäre.