Rz. 90
Zum Thema: Literatur zur Zwei-Schritt-Methode
Burmann/Jahnke, Lohnfortzahlung und Regress des Arbeitgebers bei nicht bewiesener Verletzung des Arbeitnehmers, NZV 2013, 313; Jahnke, Haftpflichtereignis und Rückgriff der Drittleistungsträger – (nur) ein Überblick, r+s Sonderheft 2011 zum 75. Geburtstag von Hermann Lemcke, S. 43; Jahnke/Thinesse-Wiehofsky, 1. Aufl. 2013, § 4 Rn 27 ff.
a) Abwicklung
Rz. 91
Die Abwicklung eines Schadenfalles erfolgt regelmäßig in folgenden Schritten:
aa)1. Schritt: Anspruchsvolumen
Rz. 92
Es gilt zuerst die Frage zu beantworten: "Was zahlt der Schädiger, an wen auch immer?"
Rz. 93
Im ersten Schritt wird dazu festgestellt,
▪ |
ob zunächst überhaupt und |
▪ |
insbesondere dann in welcher Höhe der Schadenersatzpflichtige Leistungen zu erbringen hat. |
Rz. 94
Einwendungen aus dem Schadenersatzverhältnis zwischen dem verletzten Ersatzberechtigten und dem Ersatzpflichtigen zum Haftungsgrund (insbesondere Mitverantwortungen) und zur Schadenhöhe prägen diesen Prüfungsschritt. Dabei sind auch Haftungsbeschränkungen (wie Haftungshöchstsummen nach z.B. § 12 StVG) und Haftungsausschlüsse (z.B. §§ 104 ff. SGB VII; privater Haftungsverzicht) zu bedenken. Aus der Haftung resultierende Besserstellungen (z.B. Quotenvorrecht) des Unfallgeschädigten sind an dieser Stelle zu berücksichtigen.
bb) Zwischenschritt
Rz. 95
Im Zwischenschritt ist gegebenenfalls zu klären, ob die zur Verfügung stehende Versicherungssumme (oder Haftungshöchstsumme) ausreicht, den festgestellten Schaden zu befriedigen. Sollte dieses nicht der Fall sein, kann eine ungleiche Verteilung zwischen unmittelbar geschädigter Person und Drittleistungsträgern in Betracht kommen.
Rz. 96
Während der Schädiger in seiner Person regelmäßig unbegrenzt haftet (sofern keine Haftungshöchstsummen wie § 12 StVG greifen), gelten Abweichungen, wenn und soweit ein Haftpflichtversicherer in Anspruch genommen wird, der nur unvollkommen Deckung aufgrund eines Versicherungsvertrages zu gewähren hat.
Rz. 97
Auch die Aufwandsminderung wegen eines greifenden Angehörigenprivileges (§ 116 VI SGB X, § 86 III VVG/§ 67 II VVG a.F.) ist bei der Ermittlung einer nur begrenzt zur Verfügung stehenden Geldmenge zu berücksichtigen.
cc)2. Schritt: Anspruchszuordnung
Rz. 98
Die anschließend zu beantwortende Frage lautet: "Wer bekommt den Schadenersatzbetrag?"
Rz. 99
Im zweiten Schritt wird also ermittelt, wem (unmittelbar verletzte Person, Drittleistungsträger, manchmal auch Abtretungs- oder Pfändungsgläubiger) die zuvor bestimmten Leistungen ganz oder teilweise zustehen.
Rz. 100
Forderungsübergänge, Kongruenzen und Quotenvorrechte sind zu beachten. Da es sich hierbei um einen dynamischen Prozess handelt, ist die Frage im Verlaufe der Regulierung immer wieder neu aufzuwerfen und – unter Einbeziehung veränderter Verhältnisse – zu beantworten.
Rz. 101
Beispiel 2.1 |
Der Anspruchsberechtigte hat einen Schaden i.H.v. 5.000 EUR erlitten. Die Haftung des Ersatzpflichtigen beträgt 60 %. |
Ergebnis: |
1. Schritt: Was kostet es den Schadenersatzverpflichteten? (Hinwegdenken etwaiger Drittleistungsträger) |
|
a) |
Der kongruente Schaden des Anspruchsberechtigten (Verletzter, Hinterbliebener) beträgt |
5.000 EUR. |
|
b) |
Die Haftung des Ersatzpflichtigen beträgt 60 % BGB, zu ersetzen sind (5.000 EUR * 60 % =) |
3.000 EUR. |
|
2. Schritt: Wer bekommt den Schadenersatzbetrag? |
|
a) |
Ergebnis aus dem 1.Schritt: Vorhanden ist ein vom Ersatzpflichtigen zu leistender Geldbetrag i.H.v. |
3.000 EUR. |
|
b) |
Feststellung der Rangfolge des Zugriffs auf dieses Geld (2. Schritt): |
|
|
|
aa) |
Zunächst Sammeln der möglichen Anspruchsberechtigten (Direktgeschädigter, Ersatzempfänger = Rechtsnachfolger), u.U. sortiert entsprechend der kongruenten Schadengruppen. |
|
|
|
bb) |
Feststellung des kongruenten Schadenaufwandes der jeweils Fordernden, u.U. sortiert nach kongruenten Schadengruppen. |
|
|
|
cc) |
Aufstellen der Rangfolge, u.U. sortiert nach kongruenten Schadengruppen. |
|
|
|
dd) |
Verteilung des zur Verfügung stehenden Schadenersatzbetrages an die Fordernden unter Beachtung von Quotenvorrechten, Zeitpunkten des Forderungsüberganges pp. |
|
Rz. 102
Beispiel 2.2 |
Der Beamte B hat einen Schaden i.H.v. 5.000 EUR erlitten. Die Haftung des Ersatzpflichtigen beträgt 60 %. Die beamtenrechtliche Beihilfe hat einen Heilkostenaufwand von 4.000 EUR, der Beamte trägt darüber hinaus weitere 1.000 EUR. |
Ergebnis: |
1. Schritt: Was kostet es den Schadenersatzverpflichteten? |
|
a) |
Der kongruente Schaden des Verletzten B beträgt |
5.000 EUR. |
|
b) |
Die Haftung des Ersatzpflichtigen beträgt 60 % BGB, zu ersetzen sind (5.000 EUR * 60 % =) |
3.000 EUR. |
|
2. Schritt: Wer bekommt den Schadenersatzbetrag? |
|
a) |
Vom Ersatzpflichtigen zu leistender Geldbetrag (1. Schritt) |
3.000 EUR. |
|
b) |
Feststellung der Rangfolge bei Beamten (2. Schritt): |
|
|
|
aa) |
B (bzw. ein beihilfeberechtigter Familienangehöriger) hat quotenbevorrechtigt Anspruch auf Erstattung seiner Selbstbeteiligung i.H.v. |
1.000 EUR |
|
|
bb) |
für den beamtenrechtlichen Beihilfeträger (dessen schadenkongruenter Heilkostenaufwand 4.000 EUR beträgt) verbleibt nur... |