Antje Dudenbostel, Saskia M. Schmid
Rz. 115
Wird durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung eine gewillkürte Einheit nach § 3 BetrVG geschaffen, werden also ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat gebildet (§ 3 Abs. 1 Nr. 1a), einzelne Betriebe zu einem zusammengefasst (§ 3 Abs. 1 Nr. 1b) oder Spartenbetriebsräte gebildet (§ 3 Abs. 1 Nr. 2), hat dies für sich allein noch keine Auswirkungen auf die betriebsverfassungsrechtliche Identität der bisherigen Betriebe, solange damit nicht auch tatsächliche Änderungen der betrieblichen Organisation einhergehen. Die kollektivvertragliche Ordnung lässt zwar einen fingierten Betrieb (§ 3 Abs. 5 BetrVG) entstehen, ist aber für sich betrachtet keine Spaltung bzw. Zusammenfassung, weder i.S.d. § 21a BetrVG noch i.S.d. § 111 S. 3 Nr. 3 BetrVG. Die in den einzelnen Betrieben gewählten Betriebe bleiben im Amt. Das bestätigt § 3 Abs. 4 BetrVG, nach dem die kollektivrechtlichen Regelungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, 2 BetrVG grundsätzlich erstmals bei der nächsten regulären Betriebsratswahl anzuwenden sind.
Die Amtszeit von Betriebsräten, die aufgrund der Strukturvereinbarung entfallen, endet demnach ohne tatsächliche identitätsgefährdende Änderungen der betrieblichen Organisation erst, wenn das Wahlergebnis des in der neuen Ordnung gewählten Betriebsrats bekannt gegeben ist.
Rz. 116
Nur dann, wenn der Arbeitgeber den Abschluss eines Kollektivvertrags nach § 3 Abs. 1 BetrVG zum Anlass nimmt, durch zusätzliche Maßnahmen die Organisations- und Leitungsstruktur der betroffenen Betriebe noch vor der ersten Wahl des Betriebsrats für die neue Organisationseinheit auch tatsächlich zu ändern, mit der Folge, dass sie ihre betriebsverfassungsrechtliche Identität verlieren, endet das reguläre Amt der Betriebsräte vorzeitig. Dann gilt nichts anderes als bei Umstrukturierungen außerhalb gewillkürter Einheiten. Im Zeitraum zwischen einer mit Inkrafttreten einer Kollektivvereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG einhergehenden Änderung der Betriebsverfassungsstrukturen und der Errichtung des neuen Betriebsrats führt dessen Vorgänger die Geschäfte nach Maßgabe der §§ 21a, 21b BetrVG weiter.
Rz. 117
Beispiel
Sieht eine Kollektivvereinbarung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG die Errichtung von Spartenbetriebsräten vor und wird mit Inkrafttreten der Vereinbarung, aber noch vor der nächsten Betriebsratswahl ein zuvor einheitlicher Betrieb unter Identitätsverlust in zwei Spartenbetriebe gespalten, endet das reguläre Amt des Betriebsrats und es entstehen Übergangs- und Restmandat.
Rz. 118
Praxistipp
Bei Abschluss der Vereinbarungen sollten die Übergänge in die (neue) Organisationseinheit möglichst ausdrücklich bestimmt werden. Der Zeitpunkt der Wahl des Betriebsrats in der neuen Einheit ist nach § 3 Abs. 4 BetrVG der Regelung zugänglich. Sofern solche Regelungen unterbleiben, kann zwar das Übergangs- und Restmandat eine betriebsratslose Zeit verhindern. Das Übergangsmandat für die neue Organisationseinheit ist aber auf sechs Monate befristet mit der alleinigen Möglichkeit der Verlängerung um weitere sechs Monate.
Rz. 119
Für die Frage, ob die Betriebe, die in die neue Organisationsstruktur einbezogen werden, ihre Identität verlieren, ist die räumliche und organisatorische Abgrenzbarkeit des bisherigen Betriebes innerhalb der neuen Organisationseinheit allein kein taugliches Abgrenzungskriterium. Für das Fortbestehen der ursprünglichen organisatorischen (Teil-)Einheit als betriebsverfassungsrechtlicher Bezugspunkt ist entscheidend, ob die Organisation der Arbeitsabläufe, der Betriebszweck und die Leitungsstruktur, welche die Betriebsidentität prägen, nach der erfolgten Zusammenfassung von Betrieben zu neuen Organisationseinheiten unverändert geblieben sind.
Rz. 120
Wird eine neue Kollektivvereinbarung abgeschlossen, die die alte ablöst, gilt nichts anderes. Sofern es bei dem Abschluss der Vereinbarung bleibt, ohne dass es auch zu tatsächlichen Änderungen der Organisations- und Leitungsstruktur kommt, bleibt der für die alte Organisationseinheit gewählte Betriebsrat im Amt. Es gilt § 3 Abs. 4 S. 1 BetrVG, wonach die Regelungen der Kollektivvereinbarung erst bei der nächsten regelmäßigen Betriebsratswahl anzuwenden sind. Verliert die alte Organisationseinheit demgegenüber aufgrund tatsächlicher Änderungen ihre Identität, endet das Amt des für diese gewählten Betriebsrats vorzeitig. Es entstehen Übergangs- und Restmandat nach §§ 21a, 21 b BetrVG.
Rz. 121
Beispiel
In den aufgrund einer Kollektivvereinbarung als Betrieb geltenden Einheiten A, B und C ist jeweils ein Betriebsrat gewählt; A ist die nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer größte Einheit. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1b BetrVG sollen sie zu einem Regionalbetrieb zusammengefasst werden.
Ändert sich mit Inkrafttreten der neuen Kollektivvereinbarung, aber vor der Betriebsratswahl in der neuen Einheit, die Leitungsstruktur, so dass A, B und C ihre Identität verlieren (z.B. durch Installation einer Regionalleitung), endet das reguläre Amt der Betriebsräte der ...