Antje Dudenbostel, Saskia M. Schmid
Rz. 326
Die normativ beim Betriebserwerber weitergeltenden Betriebsvereinbarungen können durch Vereinbarung zwischen dem Erwerber und dem zuständigen Betriebsrat abgeändert bzw. durch eine neue Betriebsvereinbarung zu demselben Regelungsgegenstand abgelöst werden. Dabei gilt im Verhältnis zweier Betriebsvereinbarungen, die denselben Gegenstand regeln und sich an denselben Adressatenkreis richten, nach der ständigen Rechtsprechung des BAG nicht das Günstigkeitsprinzip, sondern die Zeitkollisionsregel (Ablöseprinzip). Die neuere Betriebsvereinbarung löst die ältere ab – unabhängig davon, ob sie für die Beschäftigten günstiger oder schlechter ist. Die normativ weitergeltende Betriebsvereinbarung kann also beim Erwerber durch eine neue bzw. abändernde Betriebsvereinbarung zu demselben Regelungsgegenstand verschlechtert werden. Grenzen ergeben sich nur aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem darauf beruhenden Rückwirkungsverbot. Dies gilt insbesondere für verschlechternde Betriebsvereinbarungen zur betrieblichen Altersversorgung.
Rz. 327
Darüber hinaus kann sie von dem zuständigen Betriebsrat oder vom Erwerber gegenüber dem zuständigen Betriebsrat gekündigt werden.
Rz. 328
Ist ein gesamter Betrieb übertragen und als solcher weitergeführt worden, ist dies der für diesen Betrieb gewählte Betriebsrat, dessen Regelmandat von dem Betriebsübergang nicht berührt wird.
Rz. 329
In den Fällen, in denen ein Übergangsmandat entsteht, liegt die Zuständigkeit während des Bestands des Übergangsmandats bei dem Betriebsrat, dem das Übergangsmandat zusteht. Nach dem Ende des Übergangsmandats ist der für den Betrieb neu gewählte Betriebsrat zuständig.
Rz. 330
Es stellt sich allerdings die Frage, ob eine im Einvernehmen mit dem Betriebsrat vorgenommene Verschlechterung der normativ weitergeltenden Betriebsvereinbarung oder sogar ihre Kündigung durch den Arbeitgeber für den Zeitraum von einem Jahr ab dem Betriebsübergang ausgeschlossen ist.
Rz. 331
Eine Kündigung der Betriebsvereinbarung oder ihre mit dem Betriebsrat vereinbarte Verschlechterung wäre ohne den Betriebs(teil)übergang auch während dieses Zeitraums beim Veräußerer möglich. Die Veränderungssperre des § 613a Abs. 1 S. 2 BGB steht einer Kündigung nicht entgegen, denn sie gilt nur für transformierte Betriebsvereinbarungen, nicht für die Fälle der normativen Fortgeltung.
Rz. 332
Es spricht daher vieles dafür, dass die normativ weitergeltende Betriebsvereinbarung auch innerhalb des ersten Jahres nach dem Betriebs(teil)übergang durch den Arbeitgeber gekündigt oder verschlechtert kann.
Rz. 333
Hinsichtlich der Nachwirkung im Fall einer Kündigung ergeben sich keine Besonderheiten.
Rz. 334
Wird in einem übergegangenen Betrieb/Betriebsteil nach dem Ende des Übergangsmandats kein neuer Betriebsrat gewählt, muss die Kündigungserklärung des Arbeitgebers gegenüber allen übergegangenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erfolgen; für diese Kündigung gilt § 77 Abs. 5 BetrVG entsprechend, nicht das Kündigungsschutzgesetz. Ob auch in diesem Fall die gekündigte Betriebsvereinbarung bei Gegenständen, die der zwingenden Mitbestimmung unterfallen, Nachwirkung entfaltet, ist umstritten.