1. Tier/Abbremsen/Auffahren
Rz. 1740
Rz. 1741
OLG Saarbrücken
Wegen eines über die Straße laufenden kleinen Tieres darf dann nicht die Geschwindigkeit reduziert werden, wenn dadurch der Straßenverkehr gefährdet wird. Ein Kfz-Führer muss auch dann in der Lage sein, das Kfz sicher zu führen und in einer den Straßenverkehr nicht gefährdenden Weise zu reagieren, wenn er auf ein auf der Straße befindliches Tier zufährt, so dass die Entschuldigung eines auf Erschrecken beruhenden falschen Verhaltens nicht möglich ist. Gem. § 4 Abs. 1 S. 2 StVO darf der Vorausfahrende (1) nicht ohne Grund bremsen. Hieraus folgt, dass starkes Bremsen wegen eines auf die Fahrbahn laufenden Kleintiers dann nicht zulässig ist, wenn die Verkehrssicherheit gefährdet werden kann, indem die Gefahr von Auffahrunfällen hervorgerufen wird. Ein zwingender Grund im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 StVO setzt nämlich voraus, dass das Bremsen zum Schutz von Rechtsgütern und Interessen erfolgt, die dem Schutzobjekt der Vorschrift gleichwertig sind. Der Auffahrende (2) haftet aus der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs mit 25 %.
Rz. 1742
OLG Köln
Falls ein Kfz-Fahrer (1) eine Bremsung vornimmt, weil sich eine Taube auf der Fahrbahn befindet, so muss er auf den nachfolgenden Verkehr Rücksicht nehmen. Bei einer solchen Situation muss der Kfz-Fahrer damit rechnen, dass für nachfolgende Verkehrsteilnehmer die Verkehrssituation nicht erkennbar und damit überraschend ist. Auf Grund dieses Risikos sind gem. § 1 Abs. 2 StVO ähnlich hohe Anforderungen zu stellen wie bei den §§ 9 Abs. 5, 10 StVO. In diesen Fällen besteht daher eine Verpflichtung auf den nachfolgenden Verkehr zu achten und durch entsprechendes Verhalten (z.B. Hupen, wiederholtes Anticken der Bremse zur Warnung, Ausweichen etc.) die Kollision mit anderen Verkehrsteilnehmern zu vermeiden. Der Auffahrende (2) kann Ersatz seines Unfallschadens zu 50 % verlangen, da seinem Anscheinsverschulden ein gleichwertiger Verstoß der Beklagten gegenübersteht, da diese gegen das Gebot der Rücksichtnahme beim Anhalten im fließenden Verkehr verstoßen hat.
Rz. 1743
OLG München
Ein zwingender Grund, der ein starkes Bremsen des Vorausfahrenden rechtfertigen könnte, setzt voraus, dass das Bremsen zum Schutz von Rechtsgütern und Interessen erfolgt, die dem Schutzobjekt der Vorschrift (Sachen und Personen) mindestens gleichwertig sind. Ein starkes Bremsen im Sinn von § 4 Abs. 1 S. 2 StVO ist nur dann schuldhaft verkehrswidrig, falls der nachfolgende Fahrzeuglenker (2) einen derart geringen Abstand einhält, dass die ernstliche Gefahr eines Auffahrunfalls besteht. § 4 Abs. 1 S. 2 StVO verlangt für das starke Bremsen einen zwingenden Grund. Der Schutz des Tieres selbst muss bei der Abwägung hinter dem Schutz des nachfolgenden Verkehrsteilnehmers zurücktreten. Der Senat fasst die erforderliche ernstliche Gefährdung des nachfolgenden Verkehrsteilnehmers nicht so eng, verneint sie aber jedenfalls dann, wenn der eingehaltene Sicherheitsabstand so groß ist, dass es nur noch bei grober Unaufmerksamkeit des Nachfolgenden zu einem Auffahren kommen kann.
Rz. 1744
LG Lübeck
Kollidiert der Führer eines Kfz mit einem Wildtier, so ist dieser verpflichtet, das Tier kenntlich zu machen und zu beseitigen, wenn das Tier infolge der Kollision auf der Fahrbahn zurückbleibt und eine Verkehrsgefährdung vorliegt. Der Führer des Kfz hat diese Pflicht allerdings nur, wenn es ihm möglich und zumutbar ist, das Wildtier von der Straße zu beseitigen. Hiervon ist nicht auszugehen, wenn die Kollision mit dem Wildtier nachts auf der Autobahn erfolgt. Unter diesen Umständen muss der Fahrzeugführer das Wildtier nicht suchen oder von der Straße schaffen. Kollidiert ein Fahrzeug des nachfolgenden Verkehrs mit dem Tier, so trifft dessen Fahrer ein Mitverschulden von 30 %.
Rz. 1745
LG Aachen
Ein reflexartiges starkes Abbremsen wegen eines plötzlich vor dem Fahrzeug (1) als Hindernis auftauchenden Greifvogels stellt bei einem dadurch verursachten Verkehrsunfall jedenfalls keine grob fahrlässige Herbeiführung des Schadensfalles dar. Der Pkw-Vermieterin obliegt die Beweislast dafür, dass der Fahrer grob fahrlässig den Unfallschaden herbeigeführt hat. Sie hat den ihr obliegenden Nachweis eines mindestens grob fahrlässigen Verhaltens nicht erbracht. Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muss bei der groben Fahrlässigkeit ein subjektiv unentschuldbares Verhalten vorliegen. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Fahrerin dem Hindernis noch ausgewichen ist, wodurch das Fahrzeug vorhersehbar ins Schleudern geraten wäre. Auch eine Kollision musste nicht in Kauf genommen werden, da bei einem Greifvogel die Gefahr besteht, dass dieser hochfliegt und die Scheibe durchschlägt.
Rz. 1746
LG Koblenz
Der Auffahrende (2) haftet auch dann zu 100 %, wenn der Vorausfahrende aufgrund einer die Straße kreuzenden Katze stark abbremst und es deshalb zu dem Auffahrunfall kommt. Der Auffahrende (2) kann sich nicht darauf berufen, dass die Fahrerin (1) ohne zwingenden Grund stark abgebr...