Ivana Bugarin, Michael Brunner
Rz. 172
Inzwischen verfügen die meisten Kanzleien über einen Internetzugang und viele Kolleginnen und Kollegen haben einen Arbeitsplatz mit Netzanbindung. Da E-Mails häufig zur internen Kommunikation innerhalb der Kanzleien genutzt werden, haben viele Kolleginnen und Kollegen eine eigene E-Mail-Anschrift. Dies verleitet teilweise dazu, vom Arbeitsplatz aus privat E-Mails zu schreiben und im Internet privat zu surfen. Dieses Verhalten kann grds. zu einem Konflikt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer führen.
Rz. 173
Die Nutzung von E-Mails und Internet ist immer dann erlaubt, wenn ein Bezug zu dienstlichen Aufgaben besteht. Dabei findet keine Überprüfung der Zweckmäßigkeit der Nutzung statt und sogar eine private Kommunikation via E-Mail kann dienstlich sein. Dies ist z.B. dann gegeben, wenn man seinem Lebenspartner per E-Mail mitteilt, dass man wegen der Bearbeitung einer wichtigen Fristsache später als vorgesehen nach Hause kommt.
Rz. 174
Liegt hingegen eine private Nutzung vor, kommt es auf die Regelung in der entsprechenden Kanzlei an. Dabei sind drei Varianten möglich:
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Ausdrückliches Verbot Der Arbeitgeber als Inhaber des Internetzugangs kann grds. jedwede private Nutzung von E-Mails und Internet verbieten. Ein Verbot wird manchmal auch nur teilweise ausgesprochen, z.B., dass man zum Schutz vor Computerviren keine Anhänge privater E-Mails öffnen darf. Ein Verstoß gegen dieses Verbot kann zur außerordentlichen Kündigung führen. |
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Gewohnheitsrecht In vielen Kanzleien existieren oft keine klaren Regeln für die E-Mail- und Internetnutzung und die private Nutzung wird außerhalb der Bürozeiten stillschweigend vom Arbeitgeber geduldet. Duldet der Arbeitsgeber die private E-Mail-Nutzung über einen längeren Zeitraum (ab ca. einem Jahr), so entsteht ein sog. Gewohnheitsrecht. Aufgrund dieses Gewohnheitsrechts durfte der Arbeitnehmer zu Recht annehmen, dass das private Versenden von E-Mails in der Kanzlei nicht verboten ist. Eine geringfügige Nutzung des Internets zum Versenden von privaten E-Mails wäre demnach kein Grund für eine außerordentliche Kündigung. Erfolgt jedoch eine geringfügige private Nutzung innerhalb der Arbeitszeit, so wäre dies zumindest ein Abmahnungsgrund. Erfolgt die private Nutzung durch den Arbeitnehmer jedoch in erheblichen zeitlichen Umfang während der Arbeitszeit, so erbringt der Arbeitnehmer einen maßgeblichen Teil seiner Arbeitsleistung nicht mehr. Es liegt hier eine Verletzung der Hauptverpflichtung des Arbeitsnehmers aus dem Arbeitsvertrag vor, die grds. zu einer außergerichtlichen Kündigung führen kann. |
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Erlaubniserteilung durch den Arbeitgeber Die Erlaubniserteilung seitens des Arbeitsgebers erfolgt in den Kanzleien i.d.R:
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im Arbeitsvertrag bzw. einer späteren arbeitsvertraglichen Zusatzvereinbarung oder |
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durch öffentliche Verkündung (mündlich oder durch schriftlichen Aushang/Rundmail). |
Grds. ist die Gestattung von privater E-Mail-Nutzung eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers, die dieser jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufen kann. |
Rz. 175
Ist die Erlaubnis jedoch arbeitsvertraglich geregelt, so bedarf eine Änderung der Zustimmung des Arbeitnehmers. Eine Änderungskündigung dürfte nicht in Betracht kommen, da diese laut Rechtsprechung des BAG nur bei dringenden betrieblichen Erfordernissen zulässig ist. Der Arbeitgeber könnte sich jedoch bereits im Arbeitsvertrag einen Widerruf der Erlaubnis vorbehalten haben. In diesem Fall wäre eine Rücknahme unproblematisch.
Rz. 176
Aber auch die gestattete private E-Mail- und Internet-Nutzung muss sich im angemessenen Rahmen bewegen und darf vom Arbeitnehmer nicht missbraucht werden. Wann dabei die Grenze des für den Arbeitgeber hinnehmbaren Verhaltens überschritten ist, ist im Einzelfall zu bestimmen. Laut BAG können folgende Fälle zu einer außerordentlichen Kündigung im Einzelfall führen:
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Verstoß gegen eine zeitliche Beschränkung der Nutzung (z.B. 1 Std./Woche in den Pausenzeiten), |
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Herunterladen von strafbaren und pornografischen Inhalten, |
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Herunterladen von erheblichen Datenmengen, insbes. bei Gefahr, dass das System mit Computerviren infiziert wird, |
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wenn dem Arbeitgeber durch die Nutzung zusätzliche Kosten entstehen oder |
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bei Privatnutzung während der Arbeitszeit, weil der Arbeitnehmer während des Surfens bzw. E-Mailverkehrs seine Arbeitsleistung nicht erbringt, dies jedoch seine Hauptpflicht ist. |
Rz. 177
Die gleichen Grundsätze geltend i.Ü. auch für das private Telefonieren am Arbeitsplatz.
Rz. 178
Praxistipp:
Immer mehr Kanzleien verbieten grundsätzlich die private Nutzung des Internets, um so Diskussionen mit dem Arbeitnehmer, was ein angemessener Rahmen ist, zu vermeiden. Zwischenzeitlich gibt es auch gute Überwachungsprogramme, die den Internetverlauf aufzeichnen, so dass eine individuelle Verlaufslöschung (z.B. beim Internet Explorer unter Extra-Internetoptionen- allgemeinen Browserverlauf löschen) wiederhergestellt werden kann.