Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
1. Streit um die gemeinsame elterliche Sorge
Rz. 323
Im Streitfall ist dem Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB dann stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht, das gemeinsame Sorgerecht also ausscheidet.
Das erkennende Gericht hat sodann eine Kindeswohlprüfung in zwei Stufen vorzunehmen.
Zunächst ist die Frage der Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge klären und sodann die Übertragung der elterlichen Sorge auf den antragstellenden Ehegatten zu prüfen.
a) Voraussetzungen gemeinsamer Sorge
Rz. 324
Grundvoraussetzung zur Aufrechterhaltung des gemeinsamen Sorgerechts ist:
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die Kooperationsfähigkeit der Eltern, also die Eignung beider Eltern zur Pflege und Erziehung des Kindes, |
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die Kooperationsbereitschaft, d.h. der gemeinsame Wille, die Verantwortung auch nach der Scheidung gemeinsam zu tragen, |
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sowie ein fehlendes Gebot im Interesse des Kindeswohls, das Sorgerecht einem Elternteil allein zu übertragen. |
Rz. 325
Im Konfliktfall ist häufig nicht zu entscheiden, ob es den Eltern an der – objektiven – Kooperationsfähigkeit oder der – subjektiven – Kooperationsbereitschaft fehlt. Darauf kommt es letztlich jedoch nicht an.
Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft setzen eine bestehende Kommunikationsbasis der Eltern voraus, die eine Zurückstellung der Partnerprobleme zum Wohle des Kindes beinhaltet.
Rz. 326
Wann dies noch der Fall ist, wird jedoch von der Rechtsprechung sehr unterschiedlich beantwortet. Zum Teil wird die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge außerordentlich hoch angesiedelt und nahezu um jeden Preis beibehalten. Andererseits erscheint es problematisch, z.B. das einseitige "Sabotageverhalten" eines Elternteils dadurch zu belohnen, dass ihm das alleinige Sorgerecht übertragen wird oder grundsätzlich angesichts lediglich aktueller Konflikte das gemeinsame elterliche Sorgerecht aufzulösen.
b) Übertragung von Teilen der elterlichen Sorge
Rz. 327
Nach den zu beachtenden Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des geringstmöglichen Eingriffs kommt häufig die Übertragung eines Teilbereiches der elterlichen Sorge in Betracht.
Streiten Parteien z.B. um den (künftigen) Lebensmittelpunkt des Kindes und ist im Übrigen das Verhältnis der Eltern zueinander nicht zerrüttet, so dass der Streit keine Gefährdung des Kindeswohls bewirkt, genügt es, das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf eines der Elternteile zu übertragen.
Rz. 328
Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu deutlich erklärt:
Zitat
"Art. 6 Abs. 2 GG erfordert die Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Entscheidung über einen Antrag auf Übertragung der Alleinsorge. Die Gerichte haben sich deshalb mit Teilentscheidungen als milderes Mittel zu begnügen, wo immer dies dem Kindeswohl Genüge tut."
Rz. 329
Hinweis
Im Streitfall ist erheblich mehr erforderlich, als allgemein auf fehlende Kooperationsfähigkeit oder -bereitschaft hinzuweisen. Es ist konkret am Einzelfall darzulegen,
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welche konkreten Bemühungen um eine gemeinsame Entscheidung stattgefunden haben, |
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inwieweit Bemühungen an der Haltung des anderen Elternteils gescheitert sind und |
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inwieweit durch dieses Verhalten das Wohl des Kindes gefährdet bzw. beeinträchtigt wird. |
Einmaliges Fehlverhalten reicht in der Regel nicht aus, um die Unfähigkeit oder fehlende Ber...