aa) Volljährigkeit
Rz. 673
§ 2 BGB – Eintritt der Volljährigkeit
Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein.
Rz. 674
Art. 1 Konvention über die Rechte des Kindes – Geltung für das Kind; Begriffsbestimmung
Im Sinne dieses Übereinkommens ist ein Kind jeder Mensch, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht früher eintritt.
Rz. 675
§ 2 BGB bestimmt seit dem 1.1.1975, dass die Volljährigkeit mit der Vollendung des 18. Lebensjahres eintritt. Zuvor galt die Vollendung des 21. Lebensjahres.
Rz. 676
Art. 1 UN-Kinderrechtskonvention definiert Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, als minderjährig. § 7 SGB VIII enthält dieselbe Grenze.
Rz. 677
Mit Erreichen seiner Volljährigkeit (§ 2 Abs. 1 BGB) trifft das verletzte Kind seine Entscheidungen nunmehr selbst, wenn keine die Geschäftsfähigkeit einschränkenden Umstände (§§ 104 Nr. 2, 105 BGB) vorliegen.
bb) Geschäftsfähigkeit
Rz. 678
Geschäftsfähigkeit und Volljährigkeit sind auseinanderzuhalten.
Rz. 679
Gerade Personenschäden ziehen sich manchmal über einen längeren Zeitraum hin. Es kann daher vorkommen, dass zwischendurch Volljährigkeit eintritt und damit die Vertretung des Verletzten (gerade bei Verdacht auf fehlende Geschäftsfähigkeit) neu geprüft werden muss.
Rz. 680
Da die gesetzliche elterliche Sorge nur gegenüber minderjährigen Kindern gilt (§ 1626 Abs. 1 BGB), ist bei in der Geschäftsfähigkeit eingeschränkten, nunmehr aber volljährigen, Kindern dann für eine Betreuung (§§ 1814 ff. BGB [§§ 1896–1908k BGB a.F.]) oder Pflegschaft (§§ 1809 ff. BGB [§§ 1909–1921 BGB a.F.) zu sorgen.
cc) Schwerverletzung
Rz. 681
Bei Schwerverletzten (insbesondere mit Hirnschädigung) muss die Gefahr einer – u.U. latenten – Geschäftsunfähigkeit nach §§ 104 Nr. 2, 105 BGB bedacht werden (dazu Rdn 1342).
Rz. 682
Bestehen hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit Bedenken, ist u.U. die Einholung eines ärztlichen (amtsärztlichen) Gutachtens angeraten. Die Erforderlichkeit einer Pflegschaft oder Betreuung ist zu prüfen. Im Zweifel sollte ein Pfleger bzw. Betreuer bestellt werden. Der Pfleger oder Betreuer wirkt beim Vergleichsabschluss mit, das Familien-/Betreuungsgericht muss den Vergleich genehmigen (§ 1854 Nr. 6 BGB [§§ 1915 Abs. 1, 1822 Nr. 12 BGB a.F.]).
Rz. 683
Prozessual ist die Prozessfähigkeit (§ 52 ZPO) von Amts wegen zu beachten.
Rz. 684
Ein mit einem – zumeist unbemerkt – geschäftsunfähig gewordenen Verletzten geschlossener Vergleich ist nichtig. Die Rückabwicklung des Vergleichsvertrages erfolgt nach § 812 BGB mit den daraus folgenden Nachteilen für denjenigen, der an den Geschäftsunfähigen leistete (u.a. Wegfall der Bereicherung, beschränkte Zahlungsfähigkeit, beschränkte Aufrechnungsmöglichkeit; siehe §§ 818 Abs. 3 [dazu Rdn 1027 ff.], 394 BGB, § 850b ZPO).
Rz. 685
Vorsicht ist auch bei Abtretung von Schadenersatzforderungen (z.B. an Eltern) angesagt. Es handelt sich um einen Vertrag, der bei Geschäftsunfähigkeit einer Partei nichtig ist.
Rz. 686
Im Zweifel ist auch die dem Anwalt erteilte Vollmacht nichtig. Als problematisch kann sich dann mit Blick auf die Verjährung auch eine wirksame Anmeldung und Ablehnung des Schadenersatzanspruches erweisen: Die Anmeldung von Ersatzansprüchen ist eine rechtsgeschäftliche Handlung, und nicht nur rein tatsächliches Verhalten.
Rz. 687
Im Zweifel sollte eine Abfindungserklärung vom Bevollmächtigten (Rechtsanwalt) mit unterzeichnet werden, da dessen Vollmacht zu einem anderem als dem Unterzeichnungszeitpunkt rechtlich wirksam zustande gekommen sein kann (beispielsweise aus dem Aspekt des "lucidum intervallum").