Prof. Dr. Michael Fischer, Prof. Dr. Martin Cordes
(1) Rechtsgrundlagen
Rz. 458
Gewinne oder Verluste aus der Veräußerung von "wesentlichen" Anteilen an Kapitalgesellschaften von privaten Anteilseignern gem. § 17 EStG sind nach dem Teileinkünfteverfahren zu besteuern (§ 3 Nr. 40c EStG), also nur zur 60 % bei der Einkommensteuer zu erfassen. Die Beteiligungsgrenze für die Annahme einer "wesentlichen" Beteiligung beläuft sich auf mind. 1 % am Nennkapital der Gesellschaft innerhalb der letzten 5 Jahre vor dem Veräußerungsvorgang.
Gem. § 20 Abs. 2 EStG sind auch Veräußerungsgewinne/-verluste aus Beteiligungen unterhalb von 1 %, die nach dem 31.12.2008 erworben werden, steuerpflichtig. Diese Besteuerung erfolgt allerdings im Bereich der Kapitaleinkünfte/Abgeltungssteuer. Veräußerungsverluste sind – anders als im gewerblichen Bereich – nicht mit den übrigen Einkünften verrechenbar, sondern nur mit Erträgen aus der gleichen Einkunftsart (konkret: Veräußerungsgewinn aus Beteiligungen unterhalb von 1 %). Die Besteuerung erfolgt unabhängig von der Haltedauer. Für vor dem 1.1.2009 erworbenen Anteile gelten die früheren Grundsätze weiter, die nach Ablauf der inzwischen auf jeden Fall erreichten Haltefristen eine Steuerfreiheit vorsehen.
(2) Nachträgliche Anschaffungskosten
Rz. 459
Für im Privatvermögen gehaltene Anteile an Kapitalgesellschaften ist von hoher wirtschaftlicher Bedeutung für die Anteilseigner, in welchem Umfang der Ausfall von Gesellschafterdarlehen oder die Inanspruchnahme aus Bürgschaften zugunsten der Kapitalgesellschaft steuerlich Berücksichtigung finden kann. Für den Bereich der Anteile in einem Betriebs- oder Sonderbetriebsvermögen ist insoweit klar, dass auch mit den Anteilen in Zusammenhang stehende Darlehensausfälle zumindest im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens abzugsfähig sind. Demgegenüber besteht im Bereich der Anteile im Privatvermögen immer die Frage, inwieweit weitere Vorgänge auf der privaten Vermögensebene, die grds. einer steuerlichen Berücksichtigung entzogen sind, sich in diesen Sonderfällen steuerlich auswirken können. Rspr. und Verwaltung hatten hierzu allgemein anerkannte Grundsätze entwickelt und auf den Eigenkapitalersatzcharakter des Gesellschafterdarlehens oder der Bürgschaft abgestellt. Sowohl ausgefallene eigenkapitalersetzende Darlehen als auch der wertlose Bürgenregressanpruch gegen die Gesellschaft wurden unter bestimmten Bedingungen als nachträglichen Anschaffungskosten auf die Anteile anerkannt. Bei Liquidation/Insolvenz der Kapitalgesellschaft führten die nachträglich erhöhten Anschaffungskosten zu einem abzugsfähigen Liquidationsverlust.
Bei Neudefinition der gesellschaftsrechtlichen Grundlagen in 2008 erließ der Steuergesetzgeber jedoch keine klarstellende steuerrechtliche Regelunge zu der veränderten gesellschaftsrechtlichen Situation. Der BFH erkannte infolgedessen Aufwendungen eines Gesellschafters aus der Inanspruchnahme als Bürge nach der Änderung des GmbH-Rechts in 2008 nicht mehr als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung an und versagte damit im Ergebnis einen Abzug.
Mit § 17 Abs. 2a EStG wurde die alte Rechtslage zwischenzeitlich wieder hergestellt und die in 2008 nicht erfolgte Anpassungsregelung nachgeholt. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten für die im Privatvermögen gehaltenen Anteile an Kapitalgesellschaften gehören Darlehensverluste und Ausfälle von Bürgschaftsregressforderungen soweit die Gewährung oder das Stehenlassen der Mittel gesellschaftsrechtlich veranlasst war. Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung liegt nach Satz 4 der Norm vor, wenn ein fremder Dritter das Darlehen oder Sicherungsmittel bei sonst gleichen Umständen zurückgefordert oder nicht gewährt hätte. Erfreulicherweise hat sich der Gesetzgeber in § 52 Abs. 25a EStG auch zu einer großzügigen Übergangsregelung entschieden. § 17 Absatz 2a ist zwar grds. erstmals für Veräußerungen/Liquidationen nach dem 31.7.2019 anzuwenden. Auf Antrag des Steuerpflichtigen ist aber auch eine Anwendung auf alle anderen noch offenen Sachverhalte möglich.