Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
I. Allgemeines
Rz. 1
Das ersetzende Scannen zielt darauf ab, nach dem erfolgreichen Erstellen und Archivieren eines Scanprodukts aus einem Originaldokument das Originaldokument zu vernichten. Das ersetzende Scannen hat rechtlichen Grundsätzen zu genügen und kann nur angewendet werden, wenn rechtliche Aufbewahrungspflichten durch das Scanprodukt erfüllt werden und eine Vernichtung des Originaldokuments unschädlich ist, da es nicht – wie z.B. als Beweismittel i.S.d. § 416 ZPO ohnehin zwingend – in Papierform aufzuheben ist. Geeignete Hard- oder Software sowie die tatsächliche Langzeitspeicherung oder Archivierung ist nicht Inhalt der BSI TR 03138 zum ersetzenden Scannen. Vom Gesetzgeber werden für das ersetzende Scannen konkrete technische und organisatorische Voraussetzungen gefordert. Zudem muss ein Scanprodukt, dessen papierenes Original vernichtet wurde, geeignet sein, im Gerichtsverfahren als Beweis anerkannt zu werden. Der Scanprozess wird kaum automatisiert ablaufen können und bedarf grundsätzlich einer menschlichen Mitwirkung, was immer auch als mögliche Fehlerquelle gesehen werden muss und nicht unterschätzt werden darf.
Rz. 2
Der Scanprozess soll ein Scanprodukt hervorbringen, welches ein Papierdokument wirklichkeitsgetreu wiedergeben und dauerhaft konservieren kann. Es soll sich also um ein detailgenaues Abbild des originalen Papierdokuments handeln. Es soll genau wie das originale Papierdokument nicht mehr veränderbar sein oder, sollten Änderungen am Scanprodukt durchgeführt worden sein, diese Änderungen (genau wie in einem Papierdokument) erkennbar und nachvollziehbar sein.
Rz. 3
Das ersetzende Scannen wird u.a. in der Technischen Richtlinie (TR) des BSI TR-RESISCAN 03138 (Technische Richtlinie rechtssicheres Scannen) für fachlich zuständige Stellen erläutert. Diese Richtlinie soll vor allem dann als Grundlage dienen, wenn die eingescannten Dokumente nach dem Scanvorgang vernichtet werden sollen und für diese Dokumente eine Aufbewahrungs- oder Dokumentationspflicht besteht. Der Beweiswert des ersetzenden Scanprodukts soll durch die Anwendung der Empfehlungen der TR möglichst weit dem Original angenähert werden. Die Richtlinie hat dabei grundsätzlich nur empfehlenden Charakter. Das ersetzende Scannen wird als "der Vorgang des elektronischen Erfassens von Papierdokumenten mit dem Ziel der elektronischen Weiterverarbeitung und Aufbewahrung des hierbei entstehenden elektronischen Abbildes (Scanprodukt) und der späteren Vernichtung des papiergebundenen Originals verstanden." Mit der TR wird der Prozess des ersetzenden Scannens hinsichtlich seines technischen und organisatorischen Ablaufs unabhängig von den notwendigen Hard- und Softwarekomponenten beschrieben. Die Prozesse können somit auf alle gegebenen Bedingungen beim jeweiligen Anwender übertragen werden. Die technischen Voraussetzungen sind bei Bedarf zu ändern oder zu ergänzen.
II. Übersicht
Rz. 4
Der Ablauf des ersetzenden Scannens setzt sich aus mehreren aufeinander abgestimmten Bedürfnissen und Bearbeitungsschritten zusammen und lässt sich in die Bereiche Grundvoraussetzungen, Verarbeitung des Dokuments und besondere Sicherheitsaspekte unterteilen.
Die Schritte im Einzelnen können sein:
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Erhalt oder Erzeugung des Dokuments, |
▪ |
Vorbereitung des Dokuments für den Scan-Prozess, |
▪ |
Scannen des Dokuments, |
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Weiterbehandlung des Scan-Produkts, |
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Integritätssicherung (Gewährleistung der Unveränderbarkeit des Dokuments), |
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langfristige Verfügbarkeit des Dokuments, |
▪ |
Langzeitarchivierung. |
Rz. 5
Grundsätzlich sind Überlegungen anzustellen, was mit dem Dokument am Ende des Scan-Prozesses geschehen soll. Soll es tatsächlich vernichtet werden (originäres Ziel des ersetzenden Scannens) oder verbleibt es trotz ordnungsgemäßem Scan-Prozess physisch verfügbar? Hier sind rechtliche Vorgaben (z.B. Urkunden, Testamente, Gerichtsakten, …) und persönliche Erfahrungswerte im Umgang mit Scan-Produkten ausschlaggebend. Da ein gescanntes Dokument regelmäßig einen geringeren Beweiswert als ein Original-Dokument hat, ist besonders auf die Einhaltung der notwendigen Vorkehrungen eines nachweisbar ordnungsgemäßen Scanprozesses zu achten. Die nachfolgenden Ausführungen können dabei helfen, Scanprozesse in der Kanzlei zu optimieren. Ein Scan kann jedoch, wie zuvor dargestellt, nicht immer das Originaldokument ersetzen. Darauf ist bei internen Anweisungen in der Kanzlei zu achten. Es sind entsprechende Listen mit den Dokumenten zu erstellen, die trotz Scanvorgang weiterhin als Original vorgehalten werden müssen.
Rz. 6