Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
I. Aussetzung des Verfahrens
Rz. 417
Ob ein Rechtsstreit über die Feststellung des Erbrechts wegen eines bereits anhängigen Erbscheinsverfahrens nach § 148 ZPO ausgesetzt wird, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten. Während das OLG München eine Aussetzung des Zivilprozesses wegen der möglichen Verwertung bereits erhobener Beweise im Erbscheinserteilungsverfahren für zweckmäßig erachtet, will das OLG Stuttgart nicht allein auf Zweckmäßigkeitserwägungen abstellen. Allein Verfahren mit Präjudizwirkung sollen für eine Verfahrensaussetzung ausreichen.
Umgekehrt gilt: Das Nachlassgericht kann das Erbscheinsverfahren nach § 21 FamFG aussetzen, wenn zwischen den Erbprätendenten ein Zivilrechtsstreit zur Feststellung des Erbrechts anhängig ist. Denn das Ergebnis eines Feststellungsrechtsstreits ist für ein Erbscheinsverfahren unter denselben Beteiligten vorgreiflich. Die Aussetzung ist auch im Rechtsbeschwerdeverfahren zulässig, ohne dass es hierfür eines Antrags oder der Zustimmung der Beteiligten bedarf. Das mit dem Erbscheinsverfahren befasste Gericht entscheidet von Amts wegen nach pflichtgemäßem Ermessen über die Aussetzung. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die durch die Aussetzung eintretende Verzögerung den Beteiligten zugemutet werden kann.
Im Beschwerdeverfahren ist die Aussetzungsentscheidung nur auf Verfahrens- und Ermessensfehler zu überprüfen. Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren über die Aussetzung ergeht nach §§ 80 ff. FamFG. Das im Erbscheinserteilungsverfahren gewonnene Ergebnis bindet das Prozessgericht nicht. Es kann deshalb zu einer anderslautenden Entscheidung kommen.
Rz. 418
Miterben, die auf Feststellung der Miterbenstellung des Klägers verklagt werden, sind keine notwendigen Streitgenossen. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass weitere im Testament genannte Erben vorhanden sind, die (teilweise) auch die Erbenstellung des Klägers bestreiten.
Rz. 419
Wird der positiven Feststellungsklage stattgegeben, steht im Verhältnis der Prozessparteien fest, dass der Kläger Erbe geworden ist. Bei Abweisung der Feststellungsklage steht lediglich im Verhältnis der Parteien fest, dass der Kläger nicht Erbe geworden ist. Will der Beklagte also seine Feststellung als Erbe erreichen, muss er eine Feststellungswiderklage erheben.
II. Rechtsschutzbedürfnis
Rz. 420
Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Bei einer Erbenfeststellungsklage liegt eine solche Gefährdung in der Regel schon darin, dass der Beklagte das Recht des Klägers ernstlich bestreitet oder er sich eines eigenen Rechts gegenüber dem Kläger berühmt. Gegenstand einer Feststellungsklage kann hierbei das Bestehen oder Nichtbestehen eines (Mit-)Erbrechts sein.
Rz. 421
Dem Rechtsschutzbedürfnis an der Feststellungsklage steht nicht entgegen, dass bereits ein umfangreiches Erbscheinsverfahren durchgeführt wurde, in dem auch über die Wirksamkeit des Testaments und die Testierfähigkeit des Erblassers Beweis erhoben wurde. Denn das Ergebnis des Erbscheinsverfahrens hat mangels einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung keine Bindungswirkung für einen nachfolgenden streitigen Prozess über die Feststellung des Erbrechts bzw. der Miterbenstellung des Klägers.
Rz. 422
Ein Erbprätendent kann gegen einen anderen Erbprätendenten Klage auf Feststellung seines testamentarischen Miterbenrechts erheben; ihm steht ein Rechtsschutzbedürfnis an der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens seines Miterbenrechts zu. Dem steht nicht entgegen, dass ein Urteil im streitigen Verfahren nur zwischen den Parteien wirkt und keine Bindungswirkung für das Erbscheinsverfahren mit seinen weiteren Beteiligten, den im Testament genannten Erben, entfaltet.
III. Unterschiede
Rz. 423
Der wesentlichste Unterschied zwischen einem Erbschein und einem Urteil im Feststellungsprozess besteht darin, dass ein Erbschein weder in formelle noch in materielle Rechtskraft erwachsen kann, das Feststellungsurteil dagegen schon.
Der Erbschein erzeugt eine Vermutungs- und Gutglaubenswirkung nach §§ 2365 ff. BGB, erwächst aber nicht in Rechtskraft; er wirkt erga omnes. Das Urteil hingegen erwächst in formelle und materielle Rech...