Rz. 12
Aus deutscher Sicht (und aller ratifizierenden Vertragsstaaten der EuErbVO) wird gemäß Art. 21 Abs. 1 EuErbVO für die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen auf den letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes abgestellt. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist dabei einheitlich für das europäische Kollisionsrecht zu bilden und nicht etwa national anhand des Rechtsverständnisses eines jeden Vertragsstaates. Unter dem gewöhnlichen Aufenthalt versteht man den Daseinsmittelpunkt einer Person als Schwerpunkt seiner familiären, beruflichen und sozialen Beziehungen. Dieser Daseinsmittelpunkt wird nicht durch eine kurzfristige Abwesenheit, wie beispielsweise einem Urlaub, unterbrochen, solange nur der nach außen manifestierte Wille zur Rückkehr ersichtlich und erkennbar ist.
Rz. 13
Entscheidend zur Bestimmung ist also der tatsächliche Wille der Person. Anhaltspunkte, dass der Erblasser seinen Wohnsitz (dauerhaft) verlegen wollte, können also in seinem tatsächlichen Handeln, also seinem nach außen manifestierten Willen, liegen. So ist als Indiz beispielsweise das Anmieten oder der Erwerb einer Wohnung am "neuen" Ort zu sehen. Untauglich sind hingegen Auslandsaufenthalte, welche zeitlich begrenzt sind, gleich ob aus beruflichen oder aber privaten Gründen (Studienreisen, Weltreisen oder ausgedehnte Urlaube). Ebenfalls ausgeschlossen ist es, dass eine Person mehrere gewöhnliche Aufenthalte im Sinne der EuErbVO hat.
Rz. 14
Exkurs: Berufspendler
Der Fall, dass der Wohnort des Erblassers mit seinem Arbeitsort grenzübergreifend auseinanderfällt, ist in der EU nicht selten. Ballungsräume machen an Grenzen immer seltener halt, und nicht selten hat das Verbleiben des Wohnorts im Herkunftsland auch steuerliche oder familiäre Gründe. Dass Berufspendler also über Staatsgrenzen hinweg pendeln, ist inzwischen de facto in allen Grenzballungsgebieten die Regel ist (zum Beispiel: Saarbrücken/Lothringen; Aachen/Belgien Niederlande). Diesem Umstand wurde in den Erwägungsgründen 24 S. 1–3 Rechnung getragen. Der Fall des Berufspendlers, zwischen zwei Staaten, wurde im Erwägungsgrund 24 S. 2 aufgegriffen. Aus Erwägungsgrund 24 S. 3 lässt sich hierzu entnehmen, dass in einem Fall, in welchem ein Arbeitnehmer täglich in ein anderes Land fährt, um zu arbeiten, seine familiären Beziehungen jedoch in seinem Herkunftsland hat, diese Vorrang bei der Bestimmung des Erbstatuts haben. Abzustellen sei insoweit auf familiäre und soziale Beziehungen und nicht auf den Arbeitsort. Etwas problematischer dürfte die Abgrenzung jedoch dann werden, wenn der Berufspendler die ganze Woche am Arbeitsort in einer zweiten Wohnung verbringt, nur noch am Wochenende nach Hause in sein Herkunftsland fährt und zudem an seinem Arbeitsort in einigem Umfang soziale Kontakte unterhält. Ob für diesen Fall dann noch streng auf den Wohnort der Familie abzustellen ist, sollte im Einzelfall abgegrenzt und bestimmt werden.