I. Abgrenzung der Änderungskündigung von der Ausübung des Direktionsrechts
Rz. 5
Der Arbeitgeber, der Änderungen im Arbeitsverhältnis und seiner konkreten Durchführung vornehmen will, muss sich zunächst über das jeweils zu wählende arbeitsrechtliche Instrument klar werden.
Rz. 6
In jeder arbeitsvertraglichen Beziehung steht dem Arbeitgeber das Recht zu, die jeweils vom Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsleistung zu konkretisieren. Soweit keine bindenden gesetzlichen, tarif- oder einzelarbeitsvertraglichen Regelungen einschränkender Art bestehen, kann der Arbeitgeber bestimmen, wann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung an welchem Ort in welcher Art und Reihenfolge zu erbringen hat (§ 106 S. 1 GewO). Diese Befugnisse werden als Direktions- oder Weisungsrecht des Arbeitgebers bezeichnet. Bei der Ausübung des Direktionsrechtes ist der Arbeitgeber jedoch nach Maßgabe des § 315 BGB beschränkt, sie darf nur nach billigem Ermessen geschehen. Die Ausübung des Direktionsrechtes führt zu einer sofortigen Konkretisierung, ggf. auch Änderung, der Arbeitspflichten des Arbeitnehmers. Im Gegensatz dazu steht die ordentliche Änderungskündigung, die bei allen über eine bloße Konkretisierung hinausgehenden Maßnahmen notwendig wird und deren Ausübung stets der Einhaltung der regulären Kündigungsfristen bedarf. Auch unterscheiden sich die Ausübung des Weisungsrechtes und die Änderungskündigung darin, dass nur bei Letzterer das Schriftformerfordernis des § 623 BGB einzuhalten und die Anhörung des Betriebsrates gem. § 102 BetrVG durchzuführen ist. Eine Mitbestimmung des Betriebsrates gem. §§ 99 ff. BetrVG kommt hingegen sowohl im Falle der Änderungskündigung als auch bei der Ausübung des Direktionsrechts (nach grds. gleichen Maßstäben) in Betracht, wenn mit der betreffenden Maßnahme eine Umgruppierung oder Versetzung beabsichtigt ist. Die Abgrenzung des Anwendungsbereichs von Änderungskündigung und Direktionsrecht ist in generalisierender Form nicht möglich. Grundsätzlich gilt, dass das Weisungs- oder Direktionsrecht des Arbeitgebers umso weiter reicht, je weniger konkret der Ort, die Zeit und die Art und Weise der Arbeitserbringung im Arbeitsvertrag festgelegt sind. Ist vertraglich ausdrücklich geregelt, dass der Arbeitgeber bestimmte Änderungen der Tätigkeit einseitig herbeiführen kann, bietet ihm dies den Vorteil, sich unmittelbar hierauf berufen zu können – es sei denn, die Klausel hält einer (z.B. AGB-rechtlichen) Wirksamkeitsprüfung nicht stand. Schwierig ist der Umfang des Direktionsrechts allerdings dann zu bestimmen, wenn es dazu auf die Eigenart des jeweiligen Berufs, die Frage, ob eine Tätigkeit als branchenüblich anzusehen ist, oder gar auf die "jeweilige Verkehrssitte" ankommt. Welche Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind, kann oft (nur) mittels exemplarischen Studiums der einschlägigen Kasuistik näherungsweise ermittelt werden, so etwa mittels höchstrichterlicher Entscheidungen zur Versetzung eines Piloten an einen ausländischen Arbeitsort, zur örtlichen Versetzung eines Immobilienkaufmanns oder zur Anordnung von Sonn- und Feiertagsarbeit.
Rz. 7
Für den Arbeitgeber ist die Frage, ob er sein Ziel im Wege der Ausübung des Direktionsrechtes erreichen kann oder ob es des Ausspruches einer Änderungskündigung bedarf, vor allem deswegen von Bedeutung, weil die Wahl des unzutreffenden Durchsetzungsmittels zu erheblichen Rechtsnachteilen führen kann. Das erschließt sich ohne Mühe für den Fall, dass eine Anordnung im Wege der Ausübung des Direktionsrechts ergeht, zu deren Durchsetzung es der Vornahme einer Änderungskündigung bedurft hätte: Die Weisung ist unwirksam, der Arbeitnehmer wird sie regelmäßig nicht befolgen müssen. Spricht nun der Arbeitgeber wegen der vermeintlichen Missachtung des Direktionsrechts eine verhaltensbedingte Beendigungskündigung aus, so ist diese unwirksam. Erhält der Arbeitgeber erst am Ende eines langwierigen Kündigungsschutzprozesses über die Fehlerhaftigkeit der Ausübung des Direktionsrechtes und die daraus folgende Unwirksamkeit der Beendigungskündigung Gewissheit, können daraus erhebliche finanzielle Belastungen, insbesondere in Form von Annahmeverzugslohnansprüchen des Arbeitnehmers, entstehen.
Rz. 8
Aber auch der umgekehrte Fall, in welchem der Arbeitgeber dasjenige zum Gegenstand einer Änderungskündigung macht, was er durch schlichte Ausübung seines Weisungsrechtes hätte erreichen können, kann zu Friktionen führen. Nach verbreiteter Auffassung ist eine derartige Änderungskündigung nicht erforderlich und damit stets unverhältnismäßig und unwirksam. Demgegenüber vertritt das BAG folgende Ansicht: Zwar sei eine Änderungskündigung, die ausschließlich auf die Herbeiführung von Arbeitsbedingungen abziele, welche ohnehin für das Arbeitsverhältnis gelten, wegen der mit ihr einhergehenden (unnötigen) Bestandsgefährdung unverhältnismäßig. Es handle sich in solchen Fällen um eine "überflüssige" Änderungskündigung. Erhebe der Arbeitnehmer allerdings hiergegen Änderungsschutzklage, müsse berücksichtigt werden, dass deren Streitgegenstand nicht die Wirksamkeit...