A. Verfahrenseinstellung
Rz. 1
Die Verfolgungsverjährung ist ein formell-rechtliches Verfahrenshindernis (BVerfGE 25, 287). Ist Verjährung eingetreten, muss ein bei Gericht anhängiges Verfahren durch Beschluss oder Urteil (§§ 260 Abs. 3, 206a StPO; § 46 OWiG) eingestellt werden. Es ergeht kein Freispruch (BGHSt 27, 53).
Die Frage, ob Verjährung eingetreten ist, muss von Amts wegen geprüft werden (OLG Stuttgart DAR 2017, 209).
B. Achtung: Nur im amtsgerichtlichen Verfahren zu beachten
Rz. 2
Der Verteidiger muss seine Auffassung, die Sache sei verjährt, bereits beim Amtsrichter durchsetzen; in der Rechtsmittelinstanz ist es dafür meist zu spät, denn die Verjährung darf als Verfahrenshindernis bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde grundsätzlich nicht berücksichtigt werden (§ 80 Abs. 4 OWiG; BGH DAR 1989, 190; OLG Düsseldorf DAR 1999, 176), es sei denn, dass ausnahmsweise gerade die Beurteilung der Verjährung selbst zur Zulassung Anlass gäbe (BayObLG DAR 2004, 531; OLG Hamm NZV 2006, 390).
C. Kosten und notwendige Auslagen
I. Einstellung durch Bußgeldbehörde
1. Vor Erlass eines Bußgeldbescheides
Rz. 3
Stellt die Bußgeldbehörde das Verfahren im Hinblick auf die mittlerweile eingetretene Verjährung ein, hat die Staatskasse die Verfahrenskosten zu tragen. Eine Überbürdung der notwendigen Auslagen des Betroffenen auf die Staatskasse kommt in diesen Fällen allerdings nicht in Betracht (§ 467a Abs. 1, 2 StPO; § 105 Abs. 1 OWiG; LG Dortmund DAR 1978, 195).
2. Rücknahme eines Bußgeldbescheides
Rz. 4
Erkennt die Bußgeldbehörde erst nach Erlass eines Bußgeldbescheides, dass zuvor bereits die Verjährung eingetreten war und nimmt sie den Bescheid deshalb zurück, muss die Staatskasse neben den Verfahrenskosten auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen tragen (§§ 464 Abs. 1, 467a Abs. 1 S. 1 StPO; § 105 Abs. 1 OWiG; OLG Düsseldorf NZV 2002, 521).
II. Einstellung im gerichtlichen Verfahren
1. Verjährungseintritt vor Erlass des Bußgeldbescheides
Rz. 5
War die Verjährung bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Bußgeldbescheides eingetreten, sind die Kosten und notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen (OLG Celle NJW 1988, 1225).
2. Verjährungseintritt im Laufe des gerichtlichen Verfahrens
Rz. 6
Tritt die Verjährung erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens ein, hat die Staatskasse grundsätzlich die Kosten und die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu tragen (OLG Saarbrücken zfs 1996, 195). Hiervon kann nur abgewichen werden, wenn feststeht, dass der Betroffene ohne Eintritt der Verjährung verurteilt worden wäre (BVerfG NJW 1992, 1611; BGH NJW 2000, 1427; LG Landshut zfs 2004, 139).
D. Verjährungsfrist
Rz. 7
Die Verjährungsfrist ist – je nach Höhe der Bußgeldandrohung und Art der Ordnungswidrigkeit – unterschiedlich gestaffelt.
Der Tattag ist dabei der erste (OLG Brandenburg NZV 1998, 170), der letzte Tag der Frist der im Kalender vorhergehende Tag (OLG Koblenz zfs 2009, 112).
I. Nicht verkehrsrechtliche OWi
Rz. 8
Die Länge der Verjährungsfrist nicht verkehrsrechtlicher Ordnungswidrigkeiten ist abhängig von der Höhe der Bußgeldandrohung (§ 31 Abs. 2 OWiG). Sie beträgt z.B. bei im Höchstmaß mit 1.000 EUR bedrohten Ordnungswidrigkeiten sechs Monate, § 17 Abs. 1 OWiG, § 31 Abs. 2 Nr. 4 OWiG, bei Ordnungswidrigkeiten die im Höchstmaß mit Geldbußen von mehr als 15.000 EUR bedroht sind, drei Jahre (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).
II. Verkehrsordnungswidrigkeiten
1. Bis zum Erlass des Bußgeldbescheides
Rz. 9
In Verkehrssachen beträgt die Verjährungsfrist bis zum Erlass eines Bußgeldbescheides drei Monate (§ 26 Abs. 3 StVG).
Rz. 10
Achtung: OWi nach § 24a StVG
§ 26 Abs. 3 StVG bezieht nur die Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG ein, nicht auch die Alkohol- und Drogenordnungswidrigkeiten gem. § 24a StVG.
Die Verjährung der Alkohol- und Drogenverstöße richtet sich deshalb nach den allgemeinen Regeln der §§ 31 ff. OWiG.
Früher betrug die Höchstbuße 1.500 EUR, so dass wegen der fehlenden Differenzierung nach Vorsatz und Fahrlässigkeit gem. § 17 Abs. 2 OWiG von einem Höchstbetrag von 750 EUR auszugehen war und deshalb gem. § 31 Abs. 2 OWiG eine sechsmonatige Verjährungsfrist galt (BayObLG zfs 1999, 443).
Nach Erhöhung des Bußgeldrahmens auf 3.000 EUR durch das 4. Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes ist im Hinblick auf § 17 Abs. 2 OWiG ein Höchstbetrag von 1.500 EUR zu unterstellen, so dass gem. § 31 Abs. 2 S. 3 OWiG die Verjährungsfrist ein Jahr beträgt.
2. Nach Erlass des Bußgeldbescheides
Rz. 11
Nach Erlass des Bußgeldbescheides erhöht sich die Verjährungsfrist auf sechs Monate (§ 26 Abs. 3 Hs. 2 StVG). Dabei wirkt die Verjährung unter der Voraussetzung auf den Erlasszeitpunkt zurück, dass der Bußgeldbescheid innerhalb der 2-Wochen-Frist (wirksam) zugestellt wird (§ 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG; OLG Bamberg NZV 2006, 314). Zwar stellt der Wortlaut des § 26 Abs. 3 Hs. 2 StVG alleine auf das "Ergehen", also den Erlass des Bußgeldbescheides ab, weshalb verschiedentlich die Auffassung vertreten wurde, der Erlass setze unabhängig von der rechtzeitigen Zustellung eine sechsmonatige Verjährungsfrist zumindest dann in Gang, wenn die Verwaltungsbehörde im Anschluss an den Erlass des Bußgeldbescheides noch weitere verjährungsunterbrechende Maßnahmen ergriffen, z.B. das Verfahren zur Aufenthaltsermittlung eingestellt hatte (BayObLG DAR 1999, 323). Nach Auffassung des BGH (DAR 2000, 74) hat es der Gesetzgeber lediglich versäumt, im Rahmen der OWi-Reform auch den § 26 Abs. 3 StVG zu ändern, so dass dieser nun im Lichte der in § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG getroffenen ge...