(1) Steuerbarkeit der Abfindung
Rz. 23
Eine Abfindung, die für einen Verzicht auf die Geltendmachung des zivilrechtlich mit dem Erbfall entstandenen Pflichtteilsanspruchs bezahlt wird, tritt an dessen Stelle und stellt beim Berechtigten einen steuerbaren Erwerb von Todes wegen dar, § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG. Eine Erfüllung des Abfindungsanspruchs ist für dessen Besteuerung unbeachtlich. Treffen die Parteien also eine Vereinbarung zu den Zahlungsmodalitäten (z.B. Ratenzahlung oder Stundung), ist dies für die Besteuerung nicht relevant.
(2) Leistung der Abfindung durch Dritte
Rz. 24
In der Praxis kann es im Rahmen der Abfindung i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG zu Leistungen durch dritte Personen kommen, die selbst weder Pflichtteilsschuldner noch vertraglicher Abfindungsschuldner sind. Grund hierfür ist etwa ein (mittelbares) Interesse an dem Verzicht des Pflichtteilsberechtigten bzw. einer Mehrung des Erwerbs beim Erben.
Rz. 25
Maßgeblich für das steuerliche Zuwendungsverhältnis – also insbesondere für die Steuerfreibeträge (siehe § 5 Rdn 1>) – ist das Verhältnis zwischen Leistungsempfänger und dem Erblasser. Leistet also der Dritte, bestimmt sich das steuerliche Zuwendungsverhältnis für die Abfindungsleistung grundsätzlich nach dem Verhältnis zwischen Leistungsempfänger und Erblasser. Es bleibt mithin von der Person des Leistenden unberührt.
(3) Entstehung der Steuer
Rz. 26
Die Steuer für die Abfindung entsteht (erst) mit dem Zeitpunkt der Vereinbarung des Verzichts, § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. f ErbStG. Anders als bei der Erfüllung eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (siehe Rdn 34>) können die Parteien einen zeitverzögerten Erwerb gestalten, indem sie eine Verzichts- bzw. Abfindungsvereinbarung treffen. So lässt sich in Einzelfällen eine Berücksichtigung früherer Erwerbe i.S.d. § 14 ErbStG (siehe § 7 Rdn 1 ff.>) vermeiden oder eine "Verbesserung" der Gesetzeslage zwischen Erbfall und Vereinbarung nutzen.
(4) Gegenstand und Höhe der Abfindung
Rz. 27
Erhält der Pflichtteilsberechtigte als Abfindung begünstigtes Vermögen (z.B. ein gem. § 13d ErbStG zu Wohnzwecken fremdvermietetes Grundstück; siehe § 6 Rdn 58 ff.>), greifen – anders als bei der Erfüllung eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs durch Hingabe begünstigten Vermögens – für diesen Erwerb die Begünstigungen.
Anders als bei der Erfüllung eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs an Erfüllung statt (siehe Rdn 35>) wird im Rahmen des § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG nicht der Nennwert der Pflichtteilsforderung, sondern der Wert des Abfindungsobjekts der Besteuerung zugrunde gelegt. Die Vereinbarung einer Abfindung für den nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruch eröffnet insoweit einen gewissen Gestaltungsspielraum der Höhe nach.
(5) Pauschalabfindung des Zugewinns und Pflichtteils eines enterbten Ehegatten
Rz. 28
Wie bei der Abfindung für einen steuerlich bereits entstandenen Pflichtteilsanspruch können bei Ehegatten Zugewinnausgleichs- und Pflichtteilsansprüche im Rahmen einer Pauschalabfindung abgegolten werden. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die an den überlebenden Ehegatten geleistete Abfindung nicht unweigerlich vorrangig dem steuerfreien Zugewinnausgleich zugeordnet werden kann und es mithin zu einer vermeidbaren Besteuerung kommen kann (siehe Rdn 95>). Die Parteien sollten daher den i.S.d. § 5 ErbStG steuerfreien Zugewinnausgleichsanspruch ermitteln und diesem die Abfindungszahlung entsprechend zuordnen.
(6) Einkommensbesteuerung der Abfindung
Rz. 29
Die Hingabe eines Gegenstandes zur (teilweisen) Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB) als Abfindung stellt ertragsteuerlich einen Anschaffungs- bzw. Veräußerungsvorgang dar. Mithin kann die Übertragung eines Grundstücks als privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG eine Einkommensbesteuerung auslösen (siehe § 12 Rdn 2 ff.>).
Rz. 30
Die einkommensteuerrechtliche Behandlung einer Abfindung für die Nichtgeltendmachung des Pflichtteilsanspruchs i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG ist nicht geklärt. Der Vorgang hat jedenfalls nicht unmittelbar einen tauschähnlichen Charakter. Es ist deshalb davon auszugehen, dass hier keine Veräußerungs- oder Anschaffungsvorgänge bei den Beteiligten stattfinden.