Dr. iur. Nikolas Hölscher
(1) Abschließende Aufzählung
Rz. 6
Die nach § 2306 BGB maßgeblichen Beschränkungen und Beschwerungen, bei deren Vorliegen abweichend von der allgemeinen Grundregel trotz der Ausschlagung der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteil behält, sind in Abs. 1 abschließend aufgezählt ("numerus clausus"). Es handelt sich dabei nach dem Wortlaut der Norm allein um solche erbrechtlichen Inhalts. Eine Erweiterung durch Analogie ist wegen des zwingenden Charakters des Pflichtteilsrechts grundsätzlich nicht möglich. Probleme bereiten solche Anordnungen, deren erbrechtliche Qualifizierung zweifelhaft ist, so eine Schiedsgerichtsanordnung oder eine gesellschaftsrechtliche Nachfolgeklausel. Ob sie § 2306 BGB unterfallen, sollte nicht allein von der formalen dogmatischen Zuordnung abhängig gemacht werden, sondern nach materialen Kriterien, nämlich inwieweit sie den Pflichtteilsberechtigten tatsächlich belasten (siehe Rdn 11, 13). Die Belastungen und Beschränkungen nach § 2306 BGB müssen tatsächlich und nicht nur in der Vorstellung des Betroffenen bestehen, und zwar im Zeitpunkt des Erbfalls. Daher werden Belastungen und Beschränkungen, die sich im Zeitpunkt des Erbfalls bereits erledigt haben, nicht berücksichtigt. Fallen sie nach Eintritt des Erbfalls, aber erst nach der Ausschlagung weg, so sind sie jedoch zu berücksichtigen, da der Pflichtteilsberechtigte bei seiner Ausschlagungsentscheidung von deren Bestehen ausging; daher ist es unerheblich, ob der Wegfall ex nunc oder ex tunc stattfindet. Unter Umständen kann aber die Ausschlagung nach § 2308 BGB angefochten werden. Zudem müssen die Beschränkungen und Beschwerungen den Pflichtteilsberechtigten auch konkret belasten.
(2) Einsetzung als Vorerbe
Rz. 7
Eine Beschränkung in diesem Sinne ist die Berufung zum Vorerben, mag dieser auch zum befreiten berufen (§ 2136 BGB) oder der Nacherbe nur auf den Überrest (§ 2137 BGB) eingesetzt sein oder auch nur ein Fall der konstruktiven Nacherbfolge (§§ 2104, 2105 BGB) vorliegen. Wählen dagegen Ehegatten im Rahmen eines Berliner Testaments die sog. Einheitslösung und setzen sich gegenseitig zu Vollerben ein, die Abkömmlinge aber erst als Schlusserben hinsichtlich des Nachlasses des Längerlebenden, so liegt keine Beschränkung i.S.v. § 2306 BGB vor, vielmehr können die Abkömmlinge nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils den ihnen gebührenden Pflichtteil verlangen. Ob der Pflichtteilsberechtigte auflösend bedingt oder befristet eingesetzt ist, spielt keine Rolle für die Anwendung von § 2306 BGB.
(3) Belastung mit einer Testamentsvollstreckung
Rz. 8
Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung ist wegen der damit verbundenen Einschränkung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Erben (§§ 2205, 2211 BGB) eine Beschränkung des Pflichtteilsberechtigten i.S.v. § 2306 BGB.
(4) Teilungsanordnung
Rz. 9
Umstritten ist, wann in einer Teilungsanordnung eine Beschränkung i.S.v. § 2306 BGB zu sehen ist: Überwiegend wird dies nur für eine solche angenommen, die den Pflichtteilsberechtigten belastet, nicht aber für jene, die ihn begünstigen oder gar nicht berühren. Jedoch gibt es nach modernem Verständnis keine begünstigende Teilungsanordnung, diese ist vielmehr ein Vorausvermächtnis. Eine echte Teilungsanordnung beschwert dagegen den Pflichtteilsberechtigten i.d.R. immer, es sei denn, er ist ausnahmsweise davon nicht persönlich betroffen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für ein Teilungsverbot (§ 2044 BGB), mag dieses eine Auflage, ein Vermächtnis oder sogar eine bedingte Erbeinsetzung sein; anders liegt es nur bei einer rechtlich nicht bindenden Bitte. Handelt es sich bei der Zuwendung bestimmter Gegenstände entgegen § 2087 Abs. 2 BGB um eine Erbeinsetzung zu Erbquoten nach deren Wertverhältnis, verbunden mit einer Teilungsanordnung, so muss der pflichtteilsberechtigte Erbe immer die Erbschaft ausschlagen, wenn er sich der Teilungsanordnung entziehen will.