Isabel Hexel, Martina Hidalgo
Rz. 115
Ein personenbedingter Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG kann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung aus willensunabhängigen Gründen nicht erbringen kann. Als personenbedingte Kündigungsgründe kommen insofern Mängel in der persönlichen oder fachlichen Eignung sowie in der Arbeitsfähigkeit in Betracht. Der Hauptanwendungsfall der personenbedingten Kündigung ist die Kündigung wegen Krankheit. Bei einer krankheitsbedingten Kündigung werden die folgenden Fallgruppen unterschieden: Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen, Kündigung wegen lang andauernder Erkrankung und Kündigung wegen dauernder Leistungsunfähigkeit.
Rz. 116
Das Bundesarbeitsgericht nimmt bei personenbedingter Kündigung grundsätzlich eine Drei-Stufen-Prüfung vor. Erforderlich ist (i) eine negative Prognose, (ii) eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen und (iii) ein Überwiegen des Beendigungsinteresses des Arbeitgebers im Rahmen der Interessenabwägung. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt gemäß § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG der Arbeitgeber.
aa) Negative Prognose
Rz. 117
Für die negative Prognose ist vom Arbeitgeber darzulegen, weshalb auch zukünftig von einer fehlenden oder beeinträchtigten Eignung oder Fähigkeit des Arbeitnehmers zur Erbringung seiner Arbeitsleistung auszugehen ist. Es ist erforderlich, dass der Arbeitgeber substantiiert darlegt, welche Störungen aufgetreten sind und mit welchen Störungen in Zukunft zu rechnen ist.
Rz. 118
Bei krankheitsbedingten Kündigungen kennt der Arbeitgeber häufig die Ursache der Erkrankung und daher auch die zu erwartenden Auswirkungen nicht, weil der Arbeitnehmer ihm außer der Vorlage der ärztlichen Atteste keine Auskünfte erteilt. In diesem Fall genügt der Arbeitgeber seiner Darlegungslast, wenn er die in der Vergangenheit angefallenen Fehlzeiten darlegt und behauptet, hieraus ergebe sich eine negative Prognose für die Zukunft. Bei häufigen Kurzerkrankungen sind hierfür vom Arbeitgeber die Krankheitsperioden konkret darzulegen. Die Indizwirkung der dargelegten Fehlzeiten setzt einen hinreichend prognosefähigen Zeitraum voraus. Das Bundesarbeitsgericht kennt hierfür keine festen Zeiträume. In der Literatur werden Zeiträume von weniger als zwei Jahren regelmäßig als nicht hinreichend prognosefähig angesehen.
Hat der Arbeitgeber die Fehlzeiten in der Vergangenheit ordnungsgemäß dargelegt und sich auf eine Indizwirkung für die Zukunft berufen, so ist es Sache des Arbeitnehmers, die Indizwirkung zu erschüttern. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass der Arbeitnehmer zu den Krankheitsursachen und dem Heilungsverlauf vorträgt. Seiner prozessualen Mitwirkungspflicht genügt der Arbeitnehmer allerdings auch, wenn er die Behauptung des Arbeitgebers bestreitet und die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet, soweit darin die Behauptung liegt, die Ärzte hätten seine künftige gesundheitliche Entwicklung ihm gegenüber positiv beurteilt. Auf ein solches Vorbringen muss der für die negative Gesundheitsprognose beweispflichtige Arbeitgeber den behandelnden Arzt als Zeugen benennen oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragen.