Rz. 449
Künstlerverträge (siehe § 5 Rdn 8 Muster: Künstlervertrag) haben primär die Übertragung der Leistungsschutzrechte ausübender Künstler gem. §§ 73 ff. UrhG zum Gegenstand mit dem Ziel der Erstellung von Tonträgern und deren Bewerbung (Promotion). In diesem Kontext werden auch Merchandising-Rechte, die Nutzungsrechte zur Produktion von Musikvideos, Compilations- und Multimedia-Produkten vereinbart. Zu beachten ist, dass seit der Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 1.7.1995 nicht nur die Aufnahme- und Vervielfältigungsrechte, sondern auch das Verbreitungsrecht (§ 77 Abs. 2 UrhG) ausdrücklich dem wirtschaftlichen Produzenten eingeräumt werden muss. Bei Musikgruppen (und Orchestern) gewährt § 80 Abs. 2 i.V.m. § 74 Abs. 2 S. 2 und 3 UrhG insoweit Erleichterung, als die Einwilligung des Leiters ausreicht (die Band- oder Orchestermitglieder sind austauschbar, weshalb sich gegebenenfalls eine zusätzliche Solistenvereinbarung empfiehlt).
Rz. 450
Künstlerverträge werden ganz überwiegend als Exklusivverträge vereinbart. Dadurch erhalten die Tonträgerhersteller nicht nur die genannten Leistungsschutzrechte für eine konkrete Darbietung ganz bestimmter Musikstücke, sondern das ausschließliche Recht, sämtliche (auch zukünftige) Einspielungen auswerten zu dürfen (§§ 77, 78 UrhG). Gerechtfertigt ist diese Exklusivbindung durch die meist erheblichen Produktions- und Promotionskosten der wirtschaftlichen Produzenten.
Rz. 451
Nachdem die Einnahmen aus mechanischen Rechten in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen sind und nur zum Teil durch die legale Online-Übertragung/Streaming von Musikproduktionen aufgefangen werden konnten, lassen sich Musikproduzenten auch die Rechte an Live-Auftritten einräumen, da die Einnahmen mit Konzerten erheblich gestiegen sind. Man spricht in diesem Zusammenhang von "360 Grad-Klauseln", da wirklich alle "Leistungsschutzrechte" der ausübenden Künstler (§ 78 Abs. 1 Nr. 3 UrhG erfasst allerdings nur die Übertragung in einem anderen Raum) erfasst werden sollen (siehe § 5 Rdn 8 Muster: Künstlervertrag, § 4a als Option).
Rz. 452
Hinweis
Zu Recht weisen Roßbach und Joos darauf hin, dass solche Exklusivverträge nur für einen begrenzten Zeitraum, zwischen 3 bis 5 Jahren, legitim seien. Trotz möglicher Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen § 138 BGB (Sittenwidrigkeit) bei längerer Dauer sollte eine Befristung ausdrücklich in den Vertrag mit aufgenommen werden.
In Zukunft müssen abgeschlossene Verträge zwischen Plattenfirmen und Künstlern "Use-it-or-lose-it"-Klauseln enthalten (Verfall bei Nichtnutzung). Dies beruht auf der Schutzdauerrichtlinie (RL 2011/77/EU), die neben der Verlängerung der Schutzdauer für ausübende Künstler und Tonträgeraufzeichnungen von 50 auf 70 Jahre noch solche begleitende Maßnahmen vorsieht (siehe § 2 Rdn 285; § 5 Rdn 8 Muster: Künstlervertrag, § 6).
Rz. 453
Weiter ist aus Sicht der ausübenden Künstler die Auswertungspflicht im Sinne eines Mindestproduktionsumfangs zu regeln, zudem sind einzelne Promotionsmaßnahmen zu vereinbaren.
Rz. 454
Hinweis
Da dem ausübenden Künstler im Gegensatz zum Urheber kein dem § 12 UrhG entsprechendes Veröffentlichungsrecht zusteht, empfiehlt es sich aus Sicht des ausübenden Künstlers, Vereinbarungen zur Veröffentlichungsreife, mithin zum Veröffentlichungszeitpunkt zu treffen. Weiter müssen Gegenstand und Umfang (Anzahl der zu produzierenden Tonträger) sowie die Produktionsbedingungen bestimmt werden.
Für den Fall der (fristlosen) Kündigung sollte der Vertrag den automatischen Rückfall der vertragsgegenständlichen Rechte an den ausübenden Künstler enthalten. Die Umstände sind im Einzelnen näher zu bestimmen.
Rz. 455
Im Hinblick auf die Vergütung wird ganz überwiegend eine prozentuale Beteiligung am Umsatz vereinbart. Abrechnungsbasis ist entweder der Abgabepreis an den Handel laut jeweils gültiger Preisliste (Händlerabgabepreis HAP oder Published Price to Dealer PPD), der Nettodetailverkaufspreis (Nettodetailpreis oder auch Endkonsumentenpreis) oder der Großhandelspreis. Der HAP/PPD hat sich in den letzten Jahren immer mehr durchgesetzt. Der Nettodetailpreis ist definiert als durchschnittlicher Verkaufspreis des Einzelhandels an den Konsumenten und obwohl im Einzelnen schwierig festzustellen, immer noch sehr verbreitet. Der Großhandelspreis ist als niedrigste Preisbasis mit etwa der Hälfte des Nettodetailpreises anzusetzen. Der ausübende Künstler ist am Umsatz jedes verkauften Tonträgers mit einem bestimmten Prozentsatz beteiligt. Diese Basislizenz wird aber erst nach gewissen Abzügen zur Auszahlung gebracht. Dazu zählen die Abzüge für Kosten für Technik und Hüllengestaltung (zwischen 5,5 und 30 %) ebenso wie die Videoclip-Produktionskosten (die Verrechenbarkeit dieser Kosten sollte auf 25 % beschränkt werden). Die Beteiligungssätze werden bezogen auf den Nettodetailpreis zwischen 5 und 9 % als üblich angesehen (bei der Bemessung am HAP/PPD oder Großhandelspreis entsprechend höher). In de...