Rz. 72
BGH, Urt. v. 14.7.1970 – VI ZR 179/68, VersR 1970, 950
Zitat
RVO § 1542 Abs. 1 v. 15.12.1924; VVG a.F. § 67 Abs. 2; BGB § 426
1. Der Sozialversicherungsträger, dem entsprechend VVG § 67 Abs. 2 der Rückgriff gegen den Familienangehörigen (Erstschädiger) verwehrt ist, kann sich an einen außerhalb des Versicherungsverhältnisses stehenden Zweitschädiger nur insoweit halten, als dieser im Innenverhältnis zum (familienangehörigen) Erstschädiger den Schaden zu tragen hat (Ergänzung zu BGHZ 41, 79).
2. Für den Rückgriffsausschluss des Sozialversicherungsträgers in Anlehnung an VVG § 67 Abs. 2 genügt das Bestehen der häuslichen Gemeinschaft jedenfalls für den Zeitpunkt des Unfalls.
a) Der Fall
Rz. 73
Am 8.10.1966 befuhr Peter K. am Steuer seines Personenkraftwagens die Bahnhofstraße in A. Auf der Kreuzung mit der Bundesstraße 454 stieß er mit dem vom Zweitbeklagten gehaltenen und gelenkten Kraftfahrzeug zusammen. Der Zweitbeklagte war bei der Erstbeklagten haftpflichtversichert. In dem Fahrzeug des Peter K. fuhr u.a. seine Mutter Christine K. mit. Frau K., die mit ihrem Sohn in häuslicher Gemeinschaft lebte, verstarb einige Zeit später an den Unfallverletzungen.
Rz. 74
Die Klägerin, eine Allgemeine Ortskrankenkasse, hatte Erstattung der aus Anlass des Unfalls u.a. für ihr Mitglied Christine K. erbrachten Leistungen verlangt.
Das LG hat die Klageansprüche, die sich auf übergegangene Ansprüche der Christine K. stützen, in vollem Umfang dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Klage insoweit abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb ohne Erfolg.
b) Die rechtliche Beurteilung
Rz. 75
Nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts standen der Klägerin die Ansprüche nicht zu, die sie unter Berufung auf § 1542 RVO aus der Verletzung ihres Mitgliedes Christine K. herleitete.
Rz. 76
Wie der Senat in BGHZ 41, 79 und im Urt. v. 9.1.1968 (VI ZR 44/66 = VersR 1968, 248 = NJW 1968, 649) befunden hat, sind die Rückgriffsrechte der Sozialversicherungsträger (SVT) gegen Familienangehörige der Versicherten eingeschränkt. Zwar enthält § 1542 RVO keine dem für die private Schadensversicherung geltenden § 67 Abs. 2 VVG entsprechende Bestimmung, die den Übergang der Ersatzforderung des Versicherungsnehmers aus fahrlässiger Schädigung ausdrücklich ausschließt, wenn der Anspruchsgegner ein mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebender Familienangehöriger ist. Angesichts des sozialen Schutzzwecks der öffentlichen Versicherungsleistung müssen aber für die SVT erst recht diese Schranken gelten, die sich aus der Rücksicht auf die Familienbelange ihrer Mitglieder ergeben. Der Forderungsübergang nach § 1542 RVO ist deshalb bei fahrlässigen Schädigungen durch Familienangehörige, die mit dem Versicherten in häuslicher Gemeinschaft leben, entsprechend der Regelung des § 67 Abs. 2 VVG ausgeschlossen.
Rz. 77
Der erkennende Senat hatte bis dato nicht darüber befunden, ob der SVT, dem in entsprechender Anwendung des § 67 Abs. 2 VVG der Rückgriff auf den familienangehörigen Schädiger verwehrt ist, einer entsprechenden Einschränkung auch hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs gegen einen außerhalb des Versicherungsverhältnisses stehenden Zweitschädiger wie hier den Zweitbeklagten unterworfen ist. Diese Frage ist zu bejahen, wenn und soweit die Geltendmachung dieses Anspruchs zu einem Ausgleichsanspruch des Zweitschädigers gegen den Familienangehörigen Erstschädiger führen würde, der mit dem Geschädigten in häuslicher Gemeinschaft lebte.
Rz. 78
Geht man davon aus, dass dem Zweitschädiger, der an den SVT geleistet hat, der sich aus dem Gesetz ergebende Ausgleichsanspruch gegen den mitverantwortlichen familienangehörigen Schädiger im Grundsatz nicht verschlossen ist, so hätte das zur Folge, dass der Zweitschädiger, bei dem der SVT nach § 1542 RVO in uneingeschränktem Umfang Rückgriff nimmt, von dem familienangehörigen Mitschädiger entsprechend dem beiderseitigen Unfallbeitrag Ausgleichung verlangen könnte. Der SVT, dem mit Rücksicht auf den sozialen Schutzzweck seiner Versicherungsleistung die Rückgriffsmöglichkeit gegen den Familienangehörigen des Verletzten (= Erstschädiger) genommen ist, würde so durch den uneingeschränkten Rückgriff bei dem Zweitschädiger auf einem Umweg das gleiche Ergebnis herbeiführen, das durch die Einschränkung des Forderungsübergangs entsprechend § 67 Abs. 2 VVG vermieden werden soll. Der Sinn dieser Einschränkung erheischt in solchen Fällen, dass der SVT die Ansprüche des Verletzten gegen den Zweitschädiger insoweit nicht geltend machen kann, als der Zweitschädiger von dem Familienangehörigen des Verletzten Ausgleich verlangen könnte; der SVT ist also beschränkt auf die Geltendmachung des Betrages, der entsprechend dem Unfallbeitrag des Zweitschädigers aufgrund des Ausgleichsverhältnisses endgültig auf diesen entfällt.
Rz. 79
Die Frage des Rückgriffsanspruchs des SVT gegen den Zweitschädiger ist im Ergebnis auch dann nicht anders zu beantworten, wenn man – wie die Revision unter Hinweis auf das zu § 6...