Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 160
Im Laufe der Ehe sind vielfach Schuldverbindlichkeiten aufgenommen worden, für die die Ehegatten gesamtschuldnerisch haften. Nach der Trennung hat regelmäßig ein Ehegatte großes Interesse daran, diese Mithaftung auszuschließen oder zumindest im Innenverhältnis vom Ehegatten Ausgleich zu erlangen (zur unterhaltsrechtlichen Bedeutung der Schulden beim Ehegattenunterhalt siehe Rdn 59).
I. Außenverhältnis
Rz. 161
Die Trennung hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Rechtsbeziehungen im Außenverhältnis zur Bank.
Ein erster Ansatz für den anwaltlichen Berater dieses Ehegatten kann einmal darin gesehen werden, die Unwirksamkeit der Mithaftung dieses Ehegatten darzulegen. Hierfür gelten die folgenden Kriterien:
▪ |
Der Mithaftende war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses krass finanziell überfordert. Diese Voraussetzung ist dann zu bejahen, wenn er aus seinem pfändungsfreien Einkommen und Vermögen voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen aufzubringen vermag. |
▪ |
Der Mithaftende hat sich aufgrund seiner engen emotionalen Verbundenheit zum Darlehensnehmer auf die Mitverpflichtung eingelassen, und die Bank hat dies in verwerflicher Weise ausgenutzt. Bei krasser finanzieller Überforderung des mithaftenden Ehegatten wird dies vermutet. Die Vermutung ist erst dann widerlegt, wenn der Mithaftende eigene, ins Gewicht fallende geldwerte unmittelbare Vorteile aus der Kreditaufnahme erlangt. |
▪ |
Die Bank hat Kenntnis von den genannten Umständen oder hätte die Umstände erkennen müssen. Angesichts der banküblichen Gepflogenheit, die geforderten Sicherheiten auf ihre Werthaltigkeit zu überprüfen, ist dies regelmäßig anzunehmen. |
Praxistipp:
▪ |
Der anwaltliche Berater sollte sich daher nicht nur die Kreditunterlagen vorlegen lassen, sondern auch die bei Vertragsschluss bestehenden finanziellen Verhältnisse und sonstigen relevanten Umstände von seinem Mandanten erfragen. |
▪ |
Bestehen hier Anhaltspunkte für die Sittenwidrigkeit der Mithaftung, so muss umgehend Kontakt zum Kreditgeber – i.d.R. der Bank – aufgenommen werden. |
▪ |
Bestehen keinerlei Anhaltspunkte für den Vorwurf der Sittenwidrigkeit, kann nur mit dem Kreditgeber im Verhandlungswege erreicht werden, den Mandanten auch im Außenverhältnis aus der Mithaftung zu entlassen. Hier sollte sich der anwaltliche Berater nicht darauf verlassen, dass der gegnerische Ehegatte dies veranlassen wird, sondern ggf. selbst die notwendigen Schritte unternehmen oder zumindest beim Mandanten anregen. |
II. Innenverhältnis
Rz. 162
Im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten stellen sich bei der Trennung folgende Fragen:
▪ |
kann Erstattung für Zahlungen verlangt werden, die noch nach der Trennung geleistet werden? |
▪ |
kann beim anderen Ehegatten Rückgriff genommen werden, wenn der Ehegatte vom Gläubiger in Anspruch genommen wird? |
▪ |
besteht ein Anspruch gegen den anderen Ehegatten auf Befreiung von der Mithaftung im Außenverhältnis? |
▪ |
welche Auswirkungen hat das Bestehen der gesamtschuldnerischen Haftung für den Schuldenausgleich? |
▪ |
ist ein gesonderter Schuldenausgleich neben dem Ausgleich über den Zugewinn möglich und sinnvoll? |
Nach § 426 BGB haften Gesamtschuldner nach gleichen Anteilen, "soweit nichts anderes bestimmt ist". Ist keine anderweitige Bestimmung feststellbar, kommt die gesetzliche Grundregel zur Anwendung. Die Darlegungs- und Beweislast für eine von dieser gesetzlichen Grundregel abweichenden Situation hat derjenige Ehegatte, der sich darauf beruft.
Eine solche anderweitige Bestimmung kann sich ergeben
▪ |
aus dem Gesetz (wie z.B. aus § 748 BGB), |
▪ |
aus einer Vereinbarung, |
▪ |
aus Inhalt und Zweck eines zwischen den Gesamtschuldnern bestehenden Rechtsverhältnisses oder |
▪ |
aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens. |
Rz. 163
Während der intakten Ehe haben die Ehegatten regelmäßig eine bestimmte interne Verteilung der Haftung – zumindest stillschweigend – festgelegt. Dies geschieht i.d.R. dadurch, dass ein Ehegatte die Schuldverpflichtungen bediente, ohne dass hierfür ein interner Ausgleich geflossen ist. Die eheliche Lebensgemeinschaft überlagert damit die Regelungen der Gesamtschuld.
Rz. 164
Ist ein Darlehen für ein den Eheleuten gemeinsam gehörendes Hausgrundstück oder Wohnungseigentum aufgenommen worden, lässt sich aus den gesetzlichen Bestimmungen über die Bruchteilsgemeinschaft, insbesondere den §§ 748, 755 BGB, der Grundsatz ableiten, dass die Teilhaber für Verbindlichkeiten, die sie in Bezug auf den gemeinschaftlichen Gegenstand eingegangen sind, im Innenverhältnis nach dem Verhältnis ihrer Anteile an dem Gegenstand haften, wenn sich nicht aus einer Vereinbarung oder besonderen Umständen des Falls etwas anderes ergibt.
Die Miteigentumsgemeinschaft und die anteilige Haftung können allerdings während des Zusammenlebens in der Ehe im Innenverhältnis überlagert sein von einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Handhabung der Ehegatten. Erzielen beide Ehegat...