Rz. 205
Es gibt mehrere Gründe, aus denen eine Vertragsstrafe wegfallen kann:
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Wegfall des Vertragsstrafenversprechens wegen Neuordnung der Termine, |
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Wegfall einer bereits verwirkten Vertragsstrafe wegen späterer Vereinbarung neuer Fristen/Termine, |
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Wegfall einer verwirkten Vertragsstrafe wegen fehlenden Vorbehalts bei der Abnahme. |
Rz. 206
Ob eine erhebliche Verzögerung der Bauausführung mit dem Zwang zur völligen Neuordnung des Terminplans durch den Auftragnehmer vorliegt, unterliegt der Wertung im Einzelfall. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trifft den Auftragnehmer. Ein Wegfall des Vertragsstrafenversprechens erfolgt nicht, wenn der Auftragnehmer bei Vertragsabschluss – insbesondere aufgrund von Hinweisen des Auftraggebers – mit Verzögerungen rechnen und sich hierauf einrichten musste.
Rz. 207
Eine vom Auftragnehmer verwirkte Vertragsstrafe entfällt, wenn der Auftraggeber die Bauleistung abnimmt, ohne sich die Vertragsstrafe vorzubehalten. Das gilt sowohl für den BGB-Bauvertrag (§ 341 Abs. 3 BGB) als auch für den VOB/B-Bauvertrag (§ 11 Abs. 4 VOB/B).
Rz. 208
Der Vorbehalt ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Er muss bei der Abnahme der Bauleistung – d.h. zusammen mit der Abnahmeerklärung – erklärt werden, eine Vorbehaltserklärung vor oder nach der Abnahme ist grundsätzlich nicht ausreichend, es sei denn, die Parteien haben wirksam etwas Abweichendes geregelt. Der Vorbehalt muss
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bei einer förmlichen Abnahme (§ 12 Abs. 4 VOB/B) in das Abnahmeprotokoll aufgenommen werden, was durch eine entsprechende Klausel in einem formularmäßig vorbereiteten Abnahmeprotokoll geschehen kann; |
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bei einer ausdrücklichen, aber formlosen Abnahme (§ 640 Abs. 2 S. 1 BGB, § 12 Abs. 1 VOB/B) zusammen mit der Abnahmeerklärung erklärt werden, was auch mündlich geschehen kann, aus Beweisgründen aber schriftlich geschehen sollte; |
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bei einer konkludenten Abnahme zeitnah zu den Ereignissen, aus denen sich die schlüssige Abnahme ergibt (z.B. Benutzung des Bauobjekts, Bezahlung der Schlussrechnung) erklärt werden; |
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bei einer fiktiven Abnahme nach § 640 Abs. 2 S. 1 BGB innerhalb der vom Auftragnehmer gesetzten angemessenen Abnahmefrist erklärt werden, |
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bei einer fiktiven Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B spätestens zu den in § 12 Abs. 5 Nr. 1 und 2 VOB/B bezeichneten Zeitpunkten erklärt werden (§ 12 Abs. 5 Nr. 3 VOB/B). |
Rz. 209
Bei einer Abnahmeverweigerung – sei sie berechtigt oder nicht – braucht der Auftraggeber nach herrschender Meinung keinen Vertragsstrafenvorbehalt zu erklären. Gleiches gilt, wenn der Besteller die fiktive Abnahme nach § 640 Abs. 2 S.1 BGB durch die Anmeldung nur eines Mangels verhindert.
Rz. 210
Wenn der Bauvertrag gekündigt und die offenstehende Restleistung von einer Drittfirma fertig gestellt wird, dann muss, wenn der bis zur Kündigung erbrachte Leistungsteil nach § 8 Abs. 6 VOB/B gegenüber dem bisherigen Auftragnehmer auf dessen Verlangen abgenommen wird, bei dieser Abnahme ein Vertragsstrafenvorbehalt erklärt werden. Wenn keine Abnahme nach § 8 Abs. 6 VOB/B stattfindet, dann muss bei der Abnahme der von der Drittfirma fertig gestellten Gesamtleistung zur Erhaltung einer vom ersten Auftragnehmer geschuldeten Vertragsstrafe kein Vorbehalt erklärt werden.
Rz. 211
Der Vorbehalt kann durch den Auftraggeber oder seinen Bevollmächtigten erklärt werden. Der die Bauüberwachung ausübende Architekt bzw. Ingenieur besitzt keine "originäre" Vollmacht zur Erklärung des Vorbehalts.