I. Allgemeines
1. Grunderwerbsteuer als Aspekt der Vermögensnachfolge
Rz. 735
Regelmäßig stehen bei der Gestaltung bzw. Abwicklung der Vermögensnachfolge (auch nach einem Erbfall) ertragsteuerliche und erbschaft- bzw. schenkungsteuerliche Aspekte im Vordergrund. Nichtsdestotrotz kann auch die Grunderwerbsteuer eine Rolle spielen. Denn nicht selten bildet Grundbesitz (oder auch Beteiligungen an Grundbesitz haltenden Gesellschaften) einen – zum Teil wesentlichen – Bestandteil des Nachlasses oder den Gegenstand einer lebzeitigen Vermögensübertragung (schenkweise, voll oder teilweise entgeltlich). In diesen Fällen kommt es zwar nicht automatisch zu einer Belastung mit Grunderwerbsteuer. Die Frage, ob eine solche Belastung eintritt oder – aus welchen Gründen bzw. in welchem Umfang – nicht, muss aber dennoch (am besten im Vorfeld) beantwortet werden. Die grundlegenden Prinzipien und Funktionszusammenhänge des Grunderwerbsteuerrechts sollen daher nachfolgend kurz umrissen werden.
2. Grundlegende Systematik des Grunderwerbsteuergesetzes
Rz. 736
Gegenstand der Besteuerung im grunderwerbsteuerlichen Sinne ist ein Rechtsträgerwechsel, also der "Erwerb" eines "Erwerbers". Der (steuerpflichtige) Erwerb beruht jeweils auf einem im Grunderwerbsteuergesetz (dort § 1 GrEStG) definierten Erwerbsvorgang. Am Erwerbsvorgang im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne sind grundsätzlich mindestens zwei Parteien beteiligt, nämlich eine abgebende und eine empfangende. Gegenstand der Besteuerung ist der aufgrund des Erwerbsvorgangs eintretende Erfolg, nämlich der sog. Erwerb des Erwerbers.
Rz. 737
Soweit ein nach den Regelungen des GrEStG steuerbarer Erwerb vorliegt, ist sodann zu klären, ob dieser Erwerb Gegenstand einer Steuerbefreiung (§§ 3 u. 4 GrEStG) ist. Greift keine Steuerbefreiung ein, ist die Bemessungsgrundlage (§§ 8 u. 9 GrEStG) zu ermitteln und auf dieser Grundlage unter Anwendung des in § 11 GrEStG definierten Steuersatzes die Steuer zu berechnen. Wer diese Steuer schuldet, ergibt sich aus § 13 GrEStG.
II. Grunderwerbsteuerliche Erwerbstatbestände
1. Grundstücke i.S.v. § 2 GrEStG
Rz. 738
Auch wenn § 1 GrEStG die grunderwerbsteuerlich relevanten Erwerbsvorgänge und Erwerbe definiert, soll vorab die Frage beantwortet werden, was überhaupt den Bezugspunkt dieser (ggf. steuerpflichtigen) Erwerbe bildet. Wie bereits der Name des Gesetzes verdeutlicht, geht es um den Erwerb von Grundstücken, und zwar gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 GrEStG vor allem Grundstücken im Sinne des bürgerlichen Rechts. Den Grundstücken gleichgestellt sind nach § 2 Abs. 2 GrEStG die Erbbaurechte, die Gebäude auf fremdem Grund und Boden sowie dinglich gesicherte Sondernutzungsrechte im Sinne des § 15 WEG bzw. § 1010 BGB. Im Einzelnen gilt folgendes:
a) Grundstücke
Rz. 739
Grundsätzlich richtet sich die Definition des Grundstücksbegriffs nach den Vorschriften des BGB. Demzufolge ist auch der ideelle (unabgeteilte) Miteigentumsanteil als Grundstück anzusehen, soweit es um das Recht des Eigentümers an der Grundfläche und nicht um die Grundfläche selbst geht.
Rz. 740
Gemäß § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG sind Gegenstand der Grunderwerbsteuer nur solche Rechtsvorgänge, die sich auf inländische Grundstücke beziehen. Maßgeblich ist insoweit die Lage des Grundstücks innerhalb des Geltungsbereiches des GrEStG. Ob ein den Erwerb im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne auslösender Vertragsabschluss im Ausland oder im Inland stattfindet, spielt für die Steuerbarkeit keine Rolle, ebenso wenig die Nationalität von Veräußerer und/oder Erwerber.
Rz. 741
Nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts gehören zu einem Grundstück auch dessen Bestandteile im Sinne der §§ 93 bis 96 BGB, also insbesondere der Boden und dessen abhebbaren Bestandteile, z.B. Ton-, Kies- oder Sandvorkommen. Auch Gebäude sind – vorbehaltlich der Regelung des § 35 BGB – grundsätzlich wesentliche Bestandteile eines Grundstücks (§ 94 BGB). Entsprechendes gilt grundsätzlich auch im Fall des Bestehens eines Erbbaurechts. Nach § 94 Abs. 1 S. 1 BGB bilden auch die noch nicht getrennten Früchte und Erzeugnisse des Grundstücks einen zum Grundstück gehörenden Bestandteil; dies gilt beispielsweise für aufstehendes Holz. Schließlich gelten nach § 96 BGB auch Rechte, die mit dem Eigentum am Grundstück verbunden sind, als Bestandteile. Gemeint sind hier beispielsweise Grunddienstbarkeiten, die an das Eigentum an einem herrschenden Grundstück gebunden sind und daher einen Bestandteil dieses (herrschenden) Grundstücks bilden. Für das dienende Grundstück stellen sie jeweils eine dauernde Last dar.
Rz. 742
Nicht zu den Grundstücken im grunderwerbsteuerlichen Sinne gehören indes Scheinbestandteile, also z.B. Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden oder in ein dort errichtetes Gebäude eingefügt sind (§ 95 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB