1. Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Rz. 27
Gem. § 724 Abs. 1 ZPO findet die Zwangsvollstreckung nicht aus jeder Urteilsausfertigung, sondern nur aus einer mit der Vollstreckungsklausel versehenen Ausfertigung, der so genannten vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils, statt. Die vollstreckbare Ausfertigung wird gem. § 724 Abs. 2 ZPO auf Antrag vom Urkundsbeamten des Gerichts erster Instanz erteilt und zwar auch, sofern es sich um ein Rechtsmittelurteil, z.B. ein Berufungsurteil, handelt. Nur solange der Rechtsstreit in der Rechtsmittelinstanz anhängig ist (also bis zur Rechtskraft), wird die vollstreckbare Ausfertigung von dem Urkundsbeamten beim Rechtsmittelgericht erteilt.
Beispiel:
Möchte der Gläubiger während des Berufungsverfahrens vor der Hauptverhandlung aus dem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil 1. Instanz vollstrecken, muss er sich vom Urkundsbeamten des Berufungsgerichts eine vollstreckbare Ausfertigung erteilen lassen.
Möchte der Gläubiger demgegenüber erst nach Rechtskraft des Berufungsurteils und Rückübersendung der Akten an das Gericht 1. Instanz vollstrecken, muss er sich die vollstreckbare Ausfertigung vom Urkundsbeamten des Gerichts erster Instanz erteilen lassen.
2. Rechtspfleger
Rz. 28
In den in § 20 Nr. 12 und 13 des Rechtspflegergesetzes (RPflG) aufgezählten Fällen wird die vollstreckbare Ausfertigung nicht vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, sondern vom Rechtspfleger des Vollstreckungsgerichts erteilt. Die in § 20 Nr. 12 und 13 RPflG genannten Fälle aus dem 8. Buch der ZPO sind: §§ 726 Abs. 1, 727–729, 733, 738, 742, 744, 745 Abs. 2, 749, 797 Abs. 3 ZPO und § 60 S. 3 Nr. 2 SGB VIII. Diese Vollstreckungsklauseln nennt man auch "qualifizierte Vollstreckungsklauseln".
Rz. 29
Wie eingangs ausgeführt, ist für die Erteilung der Vollstreckungsklausel im Regelfall der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zuständig. Nun bestimmt aber § 750 Abs. 1 ZPO, dass die Vollstreckung nur beginnen darf, wenn die Personen, für und gegen die vollstreckt werden soll (also Schuldner und Gläubiger!), im Titel oder der dem Titel beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind. In allen Fällen, in denen zum Beispiel eine Rechtsnachfolge auf Seiten des Schuldners oder Gläubigers erfolgt, sei es zum Beispiel durch eine Abtretung, Übereignung, Erbschaft, Firmenübernahme etc., benötigt der vorhandene Titel eine sog. Rechtsnachfolgeklausel gem. §§ 727 ff. ZPO. Da die Voraussetzungen für den tatsächlichen Eintritt einer Rechtsnachfolge nicht immer einfach zu prüfen sind, ist diese Aufgabe dem Rechtspfleger zugeteilt.
Rz. 30
Gleiches gilt auch für die Fälle, in denen im Titel weitere Bedingungen vor Beginn der Vollstreckung erfüllt sein müssen, wenn diese Bedingungen nicht mit einem Kalendertag (der einfach zu überprüfen wäre) der Widerrufsfrist eines Vergleichs (der aus der Akte ersichtlich ist) oder der Sicherheitsleistung (deren Erbringung ebenfalls vom Vollstreckungsorgan einfach zu prüfen ist) im Zusammenhang stehen.
Rz. 31
Beispiel:
Die Parteien schließen einen Vergleich. Dort heißt es: "Der Beklagte zahlt zur Abgeltung aller Ansprüche bis zum 31.12.2018 einen Betrag von 3.000,00 EUR. Zahlt der Beklagte bis dahin die 3.000,00 EUR nicht, lebt der Restbetrag in Höhe von 4.000,00 EUR wieder auf und der Beklagte muss diesen ebenfalls an den Kläger zahlen." Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle kann ohne Weiteres die Vollstreckungsklausel bezüglich des Betrags von 3.000,00 EUR erteilen. Da die Nichtleistung der 3.000,00 EUR anspruchsbegründend für die Zahlung der weiteren 4.000,00 EUR ist, muss der Kläger die Nichtzahlung durch öffentliche Urkunde nachweisen. (Ein Rückschein der Post reicht nicht aus!). Dies kann er z.B. durch eine Zustellungsurkunde des Gerichtsvollziehers, der ein Mahnschreiben an den Schuldner zugestellt hat. Erst nach Vorlage eines solchen Nachweises kann der Rechtspfleger über den Restbetrag von 4.000,00 EUR die weitere Vollstreckungsklausel erteilen.
Rz. 32
Tipp:
Eine Vergleichsformulierung wie oben ausgeführt bereitet in der Praxis erhebliche Mehrarbeit bei der Vollstreckung. Zu bevorzugen wäre daher folgende Formulierung, die wirtschaftlich den gleichen Inhalt hat: "Der Beklagte zahlt zur Abgeltung aller Ansprüche einen Betrag von 7.000,00 EUR. Zahlt er bis zum 31.12.2018 3.000,00 EUR, muss er den Restbetrag von 4.000,00 EUR nicht mehr zahlen." Den Nachweis für die pünktliche Zahlung muss in diesem Fall der Beklagte erbringen. Der Kläger erhält eine einfache Vollstreckungsklausel über den gesamten Betrag (7.000,00 EUR)!
Rz. 33
Eine Rechtsnachfolgeklausel benötigt man z.B. bei Erbschaft, Übereignung, Firmenübernahme etc.
Beispiel:
Die Gläubigerin ist 88 Jahre alt und verstirbt eines Tages. Aus dem Titel über 200.000,00 EUR, der auf sie lautet, kann nun nicht mehr vollstreckt werden. Der Enkel ist Alleinerbe. Der Rechtsanwalt beantragt nun, die Zwangsvollstreckung für den Enkel (Nachweis: Erbschein) für zulässig zu erklären (= Antrag auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel auf den Erben).
Rz. 34
Bei Heirat eines Schuldners oder Glä...