1. Erbschaftsteuerliche Anerkennung dem Grunde nach
Rz. 103
Ein (außer-)gerichtlicher Erbvergleich schlägt – wie ein rechtskräftiges Gerichtsurteil – auf die Erbschaftbesteuerung durch. Erbschaftsteuerlich ist so zu verfahren, als hätte der Erblasser entsprechende Regelungen durch Verfügung von Tode wegen getroffen. Dies gilt insbesondere – sofern keine erhebliche Abweichung von den testamentarischen Verfügungen des Erblassers vorliegt – auch für Verträge über die Auslegung unklarer Verfügungen von Todes wegen, d.h. sogenannte Auslegungsverträge.
Rz. 104
Allerdings ist nur das Ergebnis eines ernsthaft gemeinten Vergleichs, der die gütliche Regelung streitiger Erbverhältnisse zum Ziel hat, der Erbschaftbesteuerung zugrunde zu legen. Die durch den Erbfall entstandenen Rechtsverhältnisse (zwischen Erben, Pflichtteilsberechtigten oder Vermächtnisnehmern) müssen "zweifelhaft und ernstlich umstritten" (gewesen) sein. Entscheidend ist, dass der Vergleich seinen Rechtsgrund im Erbrecht hat und nicht in Zweifeln über die außererbrechtliche Lage. Letzteres gilt etwa für einen Vergleich eines Alleinerben mit einem Dritten über das Bestehen oder die Höhe einer Nachlassforderung. Das Gleiche gilt bezüglich einer vergleichsweisen Einigung eines Alleinerben mit einem Zugewinngläubiger.
Rz. 105
Ein Erbvergleich als erbschaftsteuerliches Gestaltungsmittel der Parteien ist steuerlich nicht anzuerkennen. Dies gilt etwa, wenn nahe Angehörige eine von den Regelungen eines wirksamen Testaments abweichende mündliche Vereinbarung treffen. Im Rahmen von solchen steuerlich nicht anzuerkennenden Vereinbarungen getätigte Leistungen können sogar steuerpflichtige Schenkungen darstellen, was je nach Verwandtschaftsverhältnis (siehe § 5 Rdn 1 ff.>) zu nicht unerheblichen Steuern führen kann.
Rz. 106
Ein einmal geschlossener Vergleich ist der Besteuerung zugrunde zu legen, auch wenn die Beteiligten bei seiner Durchführung hiervon abweichen.
2. Umfang der Besteuerung
Rz. 107
Ist der Erbvergleich der Erbschaftbesteuerung zugrunde zu legen, richtet sich auch der Umfang der Besteuerung nach den getroffenen Vereinbarungen. Die seitens der Beteiligten geltend gemachten (strittigen) Rechtspositionen sind nicht ausschlaggebend. Für die Steuerbemessung und -berechnung kommt es auf die Verhältnisse am Todestag an.
Erhält ein Vermächtnisnehmer eine Geldsumme als Surrogat für sein Sachvermächtnis, gilt der Nennwert des Geldbetrags als erbschaftsteuerpflichtiger Erwerb i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und beim Erben als abzugsfähige Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 10 Abs. 3 Nr. 2 ErbStG (siehe § 3 Rdn 113>).
Rz. 108
Im Rahmen eines Erbvergleichs pauschal mit der Zahlung eines Betrages abgegoltene Ansprüche auf den Zugewinn i.S.d. § 1371 Abs. 2, 3 BGB und den kleinen Pflichtteil i.S.d. § 1371 Abs. 2 Hs. 2 BGB führen zu einer Aufteilung des Betrages gem. § 366 Abs. 2 BGB. Dies kann eventuell zu einem anteiligen Verlust der Erbschaftsteuerbefreiung des § 5 Abs. 1 ErbStG führen (siehe § 3 Rdn 95>), da der die Pflichtteilsforderung betreffende Betrag hiervon nicht erfasst ist. Zwischen dem überlebenden Ehegatten und den Erben sollte daher bei einer Gesamtabfindung eine eindeutige Zuordnung (Teilungsbestimmung) für den Zugewinnausgleichsanspruch getroffen werden, wenn auch ein Verzicht auf Pflichtteilsansprüche erfasst sein soll. Anderenfalls ist der (jedenfalls anteilig) auf den Pflichtteilsverzicht fallende Abfindungsbetrag steuerpflichtig.
Rz. 109
Wird einem Erbprätendenten vergleichsweise das Alleinerbrecht gegen Abfindungszahlung an einen anderen Erbprätendenten zuerkannt, stellt die Abfindungszahlung gem. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG einen steuerpflichtigen Erwerb dar (siehe § 3 Rdn 151>).