Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
Rz. 396
Die eheliche Unterhaltspflicht ist begründet in der mit der Eheschließung füreinander übernommenen Verantwortung. Diese beiderseitige Verantwortung dauert bis zur Scheidung fort. Nachehelich besteht sie grundsätzlich nicht. Nach § 1569 BGB trägt jeder Ehegatte nach Scheidung der Ehe die Eigenverantwortung, für seinen Unterhalt zu sorgen. Ist er dazu außerstande, kann die Unterhaltspflicht des anderen Ehegatten aber in Form einer sich aus Art. 6 Abs. 1 GG ergebenden nachehelichen Solidarität und Verantwortung fortwirken.
1. Eigenverantwortung und Unterhaltsanspruch
Rz. 397
Schon früher galt der – verfassungsgemäße – Grundsatz der Eigenverantwortung nach der Ehe, so dass nach der Systematik ein nachehelicher Unterhaltsanspruch nicht die Regel, sondern die Ausnahme sein sollte.
Zudem bestand seit dem Unterhaltsänderungsgesetz vom 20.2.1986 – unter engen Voraussetzungen – die Möglichkeit, nacheheliche Unterhaltsansprüche der Höhe und der Dauer nach zu begrenzen, §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 BGB.
Das Regel-Ausnahme-Prinzip hatte sich in der Vergangenheit allerdings in sein Gegenteil verkehrt.
Dies erschwerte jeden Neuanfang in zweiter Ehe erheblich und wurde, gerade bei kurzer Ehe, häufig als ungerecht empfunden.
Rz. 398
Dem ist durch Veränderung/Neufassung der §§ 1570 ff. BGB nach dem Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 1.1.2008 begegnet worden, aber auch dadurch, dass § 1569 BGB eine nahezu komplett neue Fassung erhalten hat.
Die frühere, eher nichtssagende Überschrift "Abschließende Regelung" ist ersetzt worden durch eine prägnante Überschrift, die dem Inhalt eine neue Zielrichtung gegeben hat.
Ging es in § 1569 BGB früherer Fassung darum, dass Unterhalt nach den nachfolgenden Vorschriften der §§ 1570 ff. BGB Unterhalt verlangen konnte, wird nunmehr im ersten Satz die Eigenverantwortung hervorgehoben.
Die Überschrift des § 1569 BGB stärkt den Grundsatz. Der erste Satz erklärt die Erwerbstätigkeit zur Obliegenheit. Der zweite Satz formuliert statt "…kann…nicht selbst…sorgen" schärfer mit "Ist er dazu außerstande…" und betont mit der Einfügung des Wortes "nur", dass ein Unterhaltsanspruch gemessen am Grundsatz der Eigenverantwortung die Ausnahme, nicht die Regel sein soll und daher nur in Betracht kommt, wenn einer der Unterhaltstatbestände der §§ 1570 ff. BGB vorliegt.
Dadurch sind erhöhte Anforderungen an die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit gestellt und Beschränkungsmöglichkeiten geschaffen worden, die namentlich auf die Frage "ehebedingter Nachteile" abstellen.
In der Begründung des Regierungsentwurfs ist im Zusammenhang mit der Neufassung des § 1569 BGB von "neuer Rechtsqualität" und davon die Rede, dass die Vorschrift "in weit stärkerem Maße als bisher" als Auslegungsgrundsatz für die einzelnen Unterhaltstatbestände heranzuziehen sei.
Dies entspricht der ohnehin vorhandenen Tendenz in der Rechtsprechung zur zeitlichen Begrenzung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs.
Rz. 399
Natürlich ist zu der verschärften Obliegenheit, erwerbstätig zu sein, hier wie zu allen anderen Vorschriften zu bemerken, dass nicht nur die subjektiven Anforderungen eine Rolle spielen. Objektiv muss überhaupt eine Chance zur Erlangung eines Arbeitsplatzes bestehen.
Rz. 400
Allerdings beruhen die Grundlagen der Unterhaltspflicht auf den Grundsätzen
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der in der Ehe begründeten Solidarität, die auch über den Scheidungszeitpunkt hinaus andauern kann und |
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in der mit der Ehe verbundenen eventuellen Bedürftigkeit eines Ehegatten, die sich im Laufe der Ehezeit entwickeln, verstärken und festigen kann. |
Namentlich bei Führung einer sog. Hausfrauenehe oder auch im Falle der Betreuung gemeinsamer Kinder und entsprechender Reduzierung der Arbeitszeit kann die wirtschaftliche Sicherung eines Ehepartners mit dem Bestand der Ehe verbunden sein.
Rz. 401
Obwohl es grundsätzlich nach dem System der Ausnahme nachehelich keine Lebensstandardgarantie geben kann, ist vor allem der Ausgleich ehebedingter Nachteile durch – unbefristete – Zahlung entsprechenden nachehelichen Unterhalts erforderlich, um der unterschiedlichen Aufgabenverteilung in der Ehe mit der Folge unterhaltsrechtlicher Nachteile eines Ehegatten gerecht zu werden.
Ohne Befristung wird Unterhalt ebenso im Ausnahmefall besonders langjähriger Ehen mit unterschiedlicher Aufgabenverteilung (Stichwort: Hausfrauenehe) sein müssen.
Rz. 402
In der Begründung zum Unterhaltsrechtsänderungsgesetz hieß es noch, die Dauer der Ehe führe "nicht zwangsläufig" zu einem Nachteil. Der BGH erklärte denn auch ganz deutlich, die Ehedauer stelle im Regelungszusammenhang des § 1578b Abs. 1 Satz 3 BGB "nur ein Indiz" für die zunehmende Verflechtung der beiderseitigen Verhältnisse dar.
Die Ehedauer, hieß es auch später durch den BGH, gewinne (nur) durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht. Man war und ist sich deshalb einig: Auch lange Ehen führen ohne weitere Kriterien nicht zu einem unbegrenzten Unterhal...