Rz. 1628
Der von der Rechtsprechung entwickelte und von der Literatur gebilligte sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht pflichtwidrig verletzt hat.
Rz. 1628a
Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch wird aus einer Analogie des Folgenbeseitigungsanspruchs für den Bereich der Sozialleistungsverwaltung bzw. dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleitet. Er entstand aus der Überlegung, dass ein Bürger angesichts der Kompliziertheit des Sozialrechts in vielen Bereichen auf behördliche Auskünfte angewiesen ist, auf deren Richtigkeit er vertrauen können muss. Dem Geschädigten soll, soweit möglich, die Durchführung eines Schadensersatzprozesses erspart werden. Als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips dient er der Verwirklichung sozialer Rechte nach § 2 I SGB I.
Rz. 1629
Zweck des Beitragsregress ist die treuhänderische Verfolgung des Direktanspruches des Geschädigten durch den gesetzlichen RVT, ohne dass der Geschädigte selbst zur Geltendmachung von auf diesen nach § 119 SGB X übergegangenen Ansprüchen vor den Zivilgerichten prozessführungsbefugt wäre. Insoweit hat der RVT gegenüber dem Verletzten auch eine Rechtspflicht zu Schadensminderung gegenüber dem Haftpflichtversicherer. Die objektive Pflichtwidrigkeit liegt in der unzureichenden Verwendung von für den Versicherten vereinnahmten Geldern.
Rz. 1630
Zwischen Pflichtverletzung des RVT und dem Nachteil des Betroffenen muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen.
Rz. 1631
Der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil muss durch zulässige Amtshandlung beseitigt werden können.
Rz. 1632
Die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verlangen den Nachweis eines pflichtwidrigen Verwaltungshandelns. Ein pflichtwidriges Handeln kann aber nur dann dem RVT angelastet werden, wenn er zu Unrecht kein Regressverfahren geführt hätte. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn ein zivilrechtlicher Prozess gegen den Ersatzpflichtigen (Schädiger) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erfolgreich gewesen wäre (hypothetischer Prozessausgang); bei der Betrachtung des hypothetischen Ausgangs eines zivilrechtlichen Regressprozesses ist nicht die Kausalitätslehre der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern der [hiervon zum Teil abweichende]) vom BGH (siehe § 3 Rn 61 ff., § 3 Rn 106 ff.) insoweit entwickelte Kausalitätsmaßstab anzusetzen.
Rz. 1633
Den Schadenersatzpflichtigen kann der Geschädigte mangels Forderungsberechtigung nicht in Anspruch nehmen, da wegen § 119 SGB X der Ersatzpflichtige die aus Minderbeiträgen resultierenden Schäden ausschließlich mit dem RVT abwickeln muss, an den der Geschädigte seine Rechte gesetzlich abgegeben hat (siehe Rn 1561 ff.).