Frank-Michael Goebel, Claudia Wagener-Neef
Rz. 120
Für die Erstattung der Geschäftsgebühr sind demnach materiell-rechtlichen Ansprüche maßgeblich. Voraussetzung für die Geltendmachung der Geschäftsgebühr gegenüber dem Gegner ist zunächst, dass dem Auftraggeber überhaupt ein Schaden entstanden ist, d.h. dem RA ein Vergütungsanspruch zusteht und davon auszugehen ist, dass er diesen auch geltend macht.
Um einen Anspruch auf Erstattung der außergerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr zu haben, bedarf es einer Anspruchsgrundlage.
Als gesetzliche Anspruchsgrundlagen kommen in Betracht:
Ferner kann sich eine Erstattungs-Anspruchsgrundlage auch aus Vertrag ergeben. Durch ausdrückliche vertragliche Vereinbarung kann sich eine Partei zur Übernahme der außergerichtlichen Gebühren gegenüber der anderen Partei verpflichten. Dies geschieht im Rahmen des Forderungseinzuges regelmäßig bei Abschluss von Tilgungs-/Teilzahlungsvereinbarungen.
Rz. 121
Die bedeutendste Anspruchsgrundlage für die Forderungseinziehung stellt sicherlich der Verzug gem. §§ 280, 286 BGB dar. Der für die Forderungsbeitreibung notwendige Aufwand gehört nach dem allgemeinen Schuldrecht zu dem erstattungsfähigen Schaden, da der Schuldner aufgrund seiner Nichtzahlung seine eingegangene Pflicht verletzt. Der Auftraggeber des RA als Gläubiger kann Ersatz des durch die Beauftragung des RA entstehenden Schadens gegenüber dem Schuldner verlangen, wenn dieser eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt hat und die Pflichtverletzung zu vertreten hat, § 280 Abs. 1 BGB. Überwiegend dürfte die Pflichtverletzung des Schuldners in einer verzögerten Leistung (Bezahlung) liegen. Gem. § 280 Abs. 2 BGB müssen die weiteren Voraussetzungen des § 286 BGB (Verzug) gegeben sein.
Gemäß § 286 Abs. 1 BGB gerät der Schuldner grundsätzlich nach einer Mahnung der durchsetzbaren Forderung, die nach Eintritt der Fälligkeit der Leistung erfolgt, in Verzug, wenn der Schuldner trotz entsprechender Möglichkeit nicht leistet. Einer Mahnung bedarf es zum Eintritt des Verzuges unter den in § 286 Abs. 2 und 3 BGB genannten Voraussetzungen nicht.
Rz. 122
In zahlreichen Fällen der anwaltlichen Praxis ist festzustellen, dass der Verzug ohne Mahnung begründet werden kann. Auch wenn die Auftraggeber in der Regel dem Gegner vor Beauftragung des RA eine Mahnung übersandt haben, um eine evtl. vergessene Rechnung in Erinnerung zu rufen, sollte die Prüfung des RA darauf gerichtet sein, ob der Verzug nicht evtl. schon vor der Gläubiger-Mahnung begründet werden kann, schon allein deshalb, um einen früheren Verzugszinslauf zu begründen und die Kosten der ersten Mahnung des Auftraggebers erstattet zu bekommen. Ist die erste Mahnung nach Verzugseintritt erfolgt, sind die Kosten hierfür ein ersatzpflichtiger Schaden.
Rz. 123
Hinweis
Folgende Tatsachen sollte der RA vor Festlegung des Verzugseintrittsdatums prüfen:
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Ist für die Leistung (Zahlung) eine Zeit nach dem Kalender bestimmt? Damit ist nicht eine einseitige Bestimmung durch den Gläubiger gemeint, sondern eine Vereinbarung der Parteien bzw. eine gesetzliche Regelung. Hierzu ist, falls vorhanden, der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag zu prüfen, ob sich darin ein vereinbarter Zahlungstermin findet, der mithilfe des Kalenders bestimmbar ist, wie z.B. Ende August, 5. KW/Jahr, 21 Tage nach Rechnungsdatum oder im Voraus bis zum 3. Werktag des Monats. Nach dem Kalender bestimmbar ist z.B. die gesetzliche Zahlungsfrist bei Miete gem. § 556b BGB. |
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Hat der Schuldner die Zahlung ernsthaft und endgültig verweigert? Die Weigerungshaltung des Schuldners muss jedoch eindeutig und so zu verstehen sein, dass das sein letztes Wort ist. Ggf. ist zwischen den Parteien vor Beauftragung des RA entsprechender Schriftverkehr geführt worden, der die Selbstinverzugsetzung des Schuldners begründet. Beachtet werden muss allerdings, dass die endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung die Notwendigkeit der vorgerichtlichen Beauftragung in Frage stellt und deshalb zur Zurückweisung eines Erstattungsanspruches führen kann. |
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In der Praxis von immenser Bedeutung ist der automatische Verzugseintritt des § 286 Abs. 3 BGB, wonach der Schuldner einer Entgeltforderung spätestens in Verzug gerät, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen ab Fälligkeit und Zugang der Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufforderung leistet. Für Schuldner, die Verbraucher sind, gilt dies nur, wenn sie in der Rechnung auf diese Regelung hingewiesen wurden. Der RA sollte daher im Bedarfsfall seinen Auftraggebern empfehlen, einen entsprechenden Hinweis auf der Rechnung oder Zahlungsaufforderung aufzunehmen, allein schon deshalb, damit der Verzug gem. § 286 Abs. 3 BGB auch gegenüber Verbrauchern greift und bei Bestreiten des Erhalts der Mahnung durch den Schuldner die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Anwaltsvergütung mit dem Verzug auch ohne Mahn... |