Dr. iur. Thomas Eder, Andreas Hilmer
Rz. 1567
Während sich bei der Zusammensetzung des Anfangsvermögens das deutsche und das französische Recht weitgehend gleichen, unterscheiden sich beide Rechtsordnungen wesentlich bei der Bewertung der einzelnen Vermögensposten. Das deutsche Recht stellt für die Bewertung der Bilanzposten im Anfangsvermögen auf den Zufluss des jeweiligen Vermögensgegenstands ab und rechnet Wertsteigerungen im Verlauf der Ehe inflationsbereinigt hinzu. Das französische Recht legt für den Anfangsbestand grundsätzlich den Wert zugrunde, den dieser bei Beendigung des Güterstands hat oder hatte (Art. 1571 CC). Risiken und Chancen der künftigen Entwicklung sind also in Frankreich deutlich anders verteilt als in Deutschland.
Rz. 1568
Das Abkommen hat in Art. 9 Abs. 1 das deutsche und das französische Recht miteinander verbunden. Im Ausgangspunkt wird an die deutschen Regelungen angeknüpft: "Am Tag des Eintritts des Güterstands vorhandene Gegenstände werden mit dem Wert angesetzt, den sie zu diesem Zeitpunkt hatten" (Art. 9 Abs. 1 Nr. 1), nach Art. 8 privilegierter Erwerb mit dem Wert am Tage des Erwerbs (Art. 9 Abs. 1 Nr. 2). Damit nimmt der Ehegatte, dem der jeweilige Gegenstand nicht gehört, an Wertsteigerungen teil, auch wenn solche ohne sein Zutun eintreten, mit Ausnahme von Wertveränderungen, die auf Währungsschwankungen beruhen.
Rz. 1569
Hierzu besteht allerdings gem. Art. 9 Abs. 2 eine wichtige Ausnahme: Alle Grundstücke und grundstücksgleichen Rechte – mit Ausnahme des Nießbrauchs und des Wohnrechts –, die bereits im Anfangsvermögen vorhanden waren, werden (nur) mit demjenigen Wert berücksichtigt, den sie am Tag der Beendigung des Güterstands haben (Argument: Gesichtspunkt des "eheneutralen Vermögenserwerbs"). Wurden diese Gegenstände während der Ehe veräußert oder ersetzt, so ist der Wert am Tage der Veräußerung oder Ersetzung zugrunde zu legen; Wertveränderungen während der Ehe werden demnach bei ihrer Bewertung im Anfangsvermögen nicht berücksichtigt. Das Abkommen übernimmt hier die vielfach vorgetragenen Bedenken zum deutschen Recht, das auch jeglichen eheneutralen Vermögenserwerb in den Zugewinn einstellt (etwa Wertsteigerungen an Immobilien durch Umwidmung von landwirtschaftlichem Grund in Bauland). Wertsteigerungen an Immobilien, die jedoch auf gemeinsamer Leistung der Ehegatten beruhen (etwa Ausbau, Umbau, Sanierung), sind zugewinnausgleichspflichtig. Nießbrauch und Wohnrecht werden ausgenommen, da die Eheleute den Wert dieser Rechte bereits durch Nutzung vermindert haben, denn sie haben die Wertbeschränkungen schon selbst vorgenommen.
Rz. 1570
Art. 9 Abs. 3 übernimmt – ebenso wie Art. 11 Abs. 3 – die aus dem deutschen Recht bekannte Inflationsbereinigung ("Indexierung") der Vermögensposten im Anfangsvermögen, um nur scheinbare Inflationsgewinne aus dem Zugewinn auszunehmen. Sollten weitere Staaten dem Abkommen beitreten, dann errechnet sich die gemittelte Preisänderungsrate aus den Preisänderungsraten für allgemeine Verbraucherpreise sämtlicher Vertragsstaaten.
Nach der Verweisungsnorm des Art. 9 Abs. 4 gelten die Abs. 1 und 3 der Vorschrift auch für die Bewertung von Verbindlichkeiten; streitig ist allerdings, ob diese zu indexieren sind.