Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 24
Die Kriegsopferfürsorge kennt – vergleichbar dem SGB XII – die Überleitung von an sich vorrangigen Ansprüchen gegenüber Dritten auf den Träger der Kriegsopferfürsorge zur Wiederherstellung des Nachrangs einer Leistung.
Rz. 25
Nach § 27g Abs. 1 S. 1 BVG kann der Träger der Kriegsopferfürsorge in den Fällen, in denen Beschädigte oder Hinterbliebene für die Zeit, für die Leistungen der Kriegsopferfürsorge erbracht wurden, einen Anspruch gegen einen anderen haben, der kein Leistungsträger i.S.d. § 12 SGB I ist, durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht. Es handelt sich um einen Forderungsübergang durch Verwaltungsakt, für den nach § 412 BGB die Vorschriften der Abtretung nach den §§ 399–404, 406–410 BGB entsprechende Anwendung finden. Durch den Rechtsträgerwechsel tritt der Leistungsträger dem Dritten als Anspruchsinhaber gegenüber.
Diese Regelung entspricht § 93 SGB XII. Auf die dortigen Ausführungen kann verwiesen werden. Im weitesten Sinne kann man also auch für die Kriegsopferfürsorge von einer Art des "Sozialhilfe"-Regresses sprechen, der durch die Überleitungsanzeige vorbereitet wird.
Rz. 26
Unterhaltsansprüche werden in der Kriegsopferfürsorge nach § 27h BVG übergeleitet. Hier gibt es eine Abweichung zu § 94 SGB XII, wonach der Unterhaltsanspruch unmittelbar von Gesetzes wegen auf den Sozialhilfeträger übergeht (cessio legis).
Rz. 27
Eine kriegsopferfürsorgerechtliche Erbenhaftung (vergleichbar § 102 SGB XII) oder einen Kostenersatzanspruch wegen schuldhaften Sichbedürftigmachens (vergleichbar § 103 SGB XII) kennt die Kriegsopferfürsorge aber nicht.
Rz. 28
Regressfälle kommen in der Praxis häufiger vor bei Hinterbliebenen von Leistungsberechtigten des sozialen Entschädigungsrechts. So ist es im nachfolgenden Beispielsfall die pflegebedürftige Witwe eines Betroffenen, die nach § 25b Abs. 1 BVG nachrangig ausgestaltete Hilfe zur Pflege benötigt.
Rz. 29
Fallbeispiel 52: Die Mutter und die Kriegsopferfürsorge
Die Mutter M ist Witwe eines Kriegsbeschädigten und beantragt Leistungen der Kriegsopferfürsorge für ihre Heimunterbringung. Aus ihren Unterlagen geht hervor, dass auf ihrem Bankkonto einige Monate nach dem Tod ihres Mannes ein Geldbetrag mit dem Vermerk "Erbanteil" eingegangen war. Seit diesem Zeitpunkt hatte die Tochter T diverse Beträge vom Konto der Mutter abgeholt bzw. an sich überwiesen. Gegenüber dem Träger der Kriegsopferfürsorge erklärte sie auf Nachfrage, die Mutter habe ihr das Geld aus Dankbarkeit für jahrelange aufwändige Pflege zur Verfügung gestellt. Das Geld sei für Autoreparaturen, Miete, Anschaffungen verbraucht worden. Der Träger der Kriegsopferfürsorge bewilligte der Mutter, die nicht in der Lage war, die Rückforderung dieser Beträge gegenüber ihrer Tochter zu betreiben, Hilfe zur Pflege und leitete den Schenkungsrückforderungsanspruch nach § 528 BGB nach Anhörung gegen die Tochter auf sich über. Dagegen wendete sich die Tochter mit der Argumentation, die Mutter hätte die Beträge insbesondere vor dem Hintergrund ihrer Lebensumstände niemals zurückgefordert, deshalb müsse der Überleitungsbescheid aufgehoben werden.
Rz. 30
Die Überleitung des mutmaßlichen Schenkungsrückforderungsanspruchs erfolgte nach § 27g BVG. Sie darf nur insoweit bewirkt werden, als die Hilfe bei rechtzeitiger Leistung nicht vom Träger der Kriegsopferfürsorge erbracht worden wäre.
Rz. 31
Hilfe zur Pflege wird als Kriegsopferfürsorgeleistung nach § 26c BVG erbracht. Einkommen der Leistungsberechtigten ist nach § 25e BVG zur Bedarfsdeckung nur einzusetzen, soweit es im Monat eine bestimmte Einkommensgrenze überschreitet. Von einem Leistungsberechtigten, der auf voraussichtlich längere Zeit der Pflege in einer stationären Einrichtung bedarf, kann der Einsatz von Einkommen unter der Einkommensgrenze verlangt werden, solange ihn keine andere Person überwiegend unterhält.
Bei der Hilfe zur Pflege nach § 26c BVG gelten beim Einsatz von Einkommen die Sondervorschriften des § 26c Abs. 5 BVG. Vermögen ist nach § 25f BVG einzusetzen.
Rz. 32
Erbschaften und Schenkungsrückforderungsansprüche nach § 528 BGB sind im Fallbeispiel 52 folglich prüfungsrelevant. Die Prüfung des Bestehens des übergeleiteten Anspruchs erfolgt in der zuständigen Zivilgerichtsbarkeit. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Überleitungsverwaltungsaktes erfolgt durch die für sie zuständige Gerichtsbarkeit. Das ist für die Kriegsopferfürsorge die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Wegen des Prinzips der selbständigen unabhängigen Gerichtsbarkeiten kommt es bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Überleitungsverwaltungsaktes nicht darauf an, ob der geltend gemachte Anspruch materiell-rechtlich tatsächlich besteht. Ausgeschlossen ist eine Überleitungsanzeige nur dann, wenn das Bestehen des zivilrechtlichen Anspruches objektiv offensichtlich unmöglich ist, also damit auch offensichtlich sinnlos ist. (Prinzip der Negativevidenz).
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit prüft dagegen den sozialr...