I. Problemlage
Rz. 150
Häufig ist ein Miterbe oder sogar die gesamte Erbengemeinschaft über Umfang und Verbleib des Nachlasses im Unklaren. Dies kann damit zusammenhängen, dass die Erben keinen Kontakt mehr zum Erblasser hatten. Vielfach stehen aber sogar Ehe- und Lebenspartner vor dem Problem, mit dem Erbfall feststellen zu müssen, dass sie kaum Informationen über das Vermögen des Verstorbenen haben. Die Beschaffung von Informationen über den Nachlass muss somit einer der ersten Schritte für den Miterben sein,
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um entscheiden zu können, ob und ggf. welche Maßnahmen zur Beschränkung der Haftung zu ergreifen sind |
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um die Verwaltung zu regeln |
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und letztlich um die Auseinandersetzung vorzubereiten und durchzuführen. |
Rz. 151
Die Auskunftserteilung und Rechenschaftslegung ist häufig ein Punkt von Auseinandersetzungen zwischen Miterbe und Dritten. Das ist im Ansatz auch verständlich: Für jeden Miterben ist es zur Wahrung und Geltendmachung seiner Rechte unbedingt erforderlich, umfassend über den Nachlassbestand informiert zu sein. Nur so ist ihm auch möglich, Schaden vom Nachlass abzuwenden und seiner Mitwirkungspflichten i.R.d. Nachlassverwaltung gerecht zu werden. Weniger verständlich ist es meist, wenn der "informierte Erbe" nicht bereit ist, die ihm vorliegenden Informationen auch den anderen Erben zur Verfügung zu stellen.
Ungeachtet der streitigen Fragen, ob zwischen den Erben ein "genereller" Auskunftsanspruch besteht (siehe unten Rdn 152), bieten zahlreiche andere Normen den Erben die Möglichkeit, benötigte Informationen zu erlangen. Einige der besonders praxisrelevanten erbrechtlichen Auskunftsansprüche werden nachfolgend kurz dargestellt (siehe unten Rdn 157).
II. Auskunftsanspruch aufgrund Miterbenstellung sowie aus § 242 BGB
Rz. 152
Es gibt keine spezielle Anspruchsgrundlage, wonach Miterben untereinander verpflichtet wären, sich Auskunft über den Nachlassbestand zu erteilen. Umstritten ist die Frage, ob die Erben gleichwohl verpflichtet sind, sich wechselseitig über den Nachlassbestand zu informieren. Eine allgemeine Auskunftspflicht der Miterben allein aufgrund der Verbindung in der Erbengemeinschaft wird überwiegend abgelehnt.
Rz. 153
In einer vielfach in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1988 heißt es im Leitsatz und wird ausgeführt, dass die Miterbenstellung allein nicht die notwendige Sonderbeziehung begründe, die zu einer Auskunftspflicht führt. Der Leitsatz wird jedoch dem besonderen Sachverhalt, zu dem die Entscheidung ergangen ist, nicht gerecht: Im entschiedenen Fall forderte der Bruder von seiner Schwester (beide Miterben zu je ½ nach ihrer Mutter), Zustimmung zur Auskunftserteilung der Krankenkasse der Erblasserin, welche Medikamente die Erblasserin erhalten habe, während sie im Haus der Beklagen gepflegt worden war. Während der Pflege durch die Beklagte errichtete sie ein notarielles Testament, wonach Kläger und Beklagte (Bruder und Schwester) je zu ½ als Erben eingesetzt werden. In einem älteren Testament aus dem Jahre 1959 war der Kläger Alleinerbe. Mit Hilfe der Informationen über die verabreichten Medikamente wollte der Kläger den Beweis führen, dass die Erblasserin bei Abfassung des letzten Testamentes testierunfähig gewesen ist und somit das vorangegangene Testament gültig ist, also der Kläger allein geerbt hat. Wenn in diesem Zusammenhang eine Pflicht der Beklagten abgelehnt wird, sich gewissermaßen selbst "den Ast abzusägen, auf dem sie sitzt", nämlich sie zu verpflichten, dem Kläger Informationen zu verschaffen, die ihre eigene Erbenstellung beeinflussen würden, dann hat das nichts mit der Frage zu tun, ob und inwieweit Erben verpflichtet sind, sich über den Nachlassbestand Auskunft zu erteilen.
Rz. 154
Auch einer älteren Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1973, die in diesem Zusammenhang häufig angeführt wird, lag eine besondere Konstellation zugrunde. Dort begehrte der pflichtteilsberechtigte Erbe vom beschenkten Miterben Auskunft über Schenkungen der letzten zehn Jahre vor dem Tod des Erblassers. Bei der Prüfung der möglichen Anspruchsgrundlagen des Klägers führt der BGH zu § 2038 aus, dass auch dies keinen Auskunftsanspruch bietet, "weil die gebotene Mitwirkung bei der Verwaltung des Nachlasses die Miterben nicht allgemein zur Auskunfterteilung über den Nachlassbestand verpflichtet." Für den konkreten Fall ist dies auch überzeugend, weil die Schenkungen des Erblassers gerade nicht mehr zum Nachlassbestand gehören, sondern lediglich zum fiktiven Nachlass zu zählen und i.R.d. §§ 2325, 2329 zu berücksichtigen sind. Darauf hat der BGH auch zuvor i.R.d. Prüfung zu § 2027 BGB mit Recht hingewiesen.
Rz. 155
Hinter der Ablehnung eines Auskunftsanspruches der Miterben untereinander über den Nachlassbestand mag häufig die Überlegung stehen, dass grundsätzlich jeder Erbe allein für sich in der Lage sei, die erforderlichen Informationen zu erlangen. In der Praxis sieht dies häufig anders aus: Die Erteilung eines Erbscheins kann sich nicht nur über Wochen, sondern Monate hinziehen und eine Legitimation gegenüber Banken etc...