Rz. 30
Ein Miterbe darf alleine über seinen Anteil (oder einen Bruchteil davon) am gesamten Nachlass verfügen (§ 2033 Abs. 1 S. 1 BGB), nicht hingegen über einzelne Nachlassgegenstände (§ 2040 Abs. 1 BGB). Das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft ist in §§ 2371 ff. BGB geregelt. Für den Fall des Verkaufes gewährt § 2034 BGB den Miterben ein Vorkaufsrecht.
1. Überblick zum Vorkaufsrecht
Rz. 31
Verkauft ein Miterbe seinen Anteil an der Erbengemeinschaft, gewährt § 2034 Abs. 1 BGB den übrigen Miterben ein Vorkaufsrecht. Hierdurch können die Miterben den Eintritt Außenstehender in die Gemeinschaft verhindern, um die Zuordnung des Nachlasses an die Erbengemeinschaft zu erhalten und die Auseinandersetzung oder das Fortbestehen der Gemeinschaft zu erleichtern oder zu sichern, worauf sonst der Anteilserwerber Einfluss nehmen könnte. Die Ausübung des Vorkaufsrechts steht den Miterben gemeinschaftlich zu (siehe hierzu i.E. Rdn 33). Das Vorkaufsrecht geht nicht auf den Erbteilserwerber (§ 2033 BGB, hierzu Rdn 13 ff., 23) über. Dies gilt auch, wenn der Erbwerber ebenfalls Miterbe ist.
Rz. 32
§ 2034 BGB bezieht sich abschließend nur und ausschließlich auf den freiwilligen Verkauf eines Miterbenanteils. Auf andere Verträge wird § 2034 BGB nach der ganz h.M. nicht entsprechend angewendet, gleich ob Schenkung, gemischte Schenkung, Sicherungsabrede, Tausch, Vergleich, Zwangsvollstreckung (§ 471 BGB) oder Teilungsversteigerung gem. § 180 ZVG vorliegt. Der Wortlaut des § 2034 BGB ist insoweit eindeutig und stellt gerade nicht lediglich auf "Verfügung" ab. Daher ist die Übertragung aufgrund der Erfüllung eines Vermächtnisses u.Ä. ebenfalls kein Fall des § 2034 BGB. Soweit versucht wird, durch ein "Umgehungsgeschäft" die Regelung des § 2034 BGB zu vermeiden, ist die Anwendung von § 2034 BGB auszudehnen: Ein Umgehungsgeschäft liegt bei Verträgen vor, die einem Kaufvertrag nahezu gleichkommen und in die der Vorkaufsberechtigte zur Wahrung seiner Erwerbs- und Abwehrinteressen "eintreten" kann, ohne die vom Verpflichteten ausgehandelten Konditionen des Veräußerers zu beeinträchtigen.
Das Vorkaufsrecht gibt den Miterben die Befugnis, den Miterbenanteil zu den vertraglichen Konditionen zu erwerben, zu denen der veräußernde Miterbe ihn an den Dritten veräußern wollte. Mit Ausübung (siehe Rdn 33) kommt der Vertrag mit dem gleichen Inhalt zwischen vorkaufsverpflichteten und vorkaufsberechtigten Miterben zustande, § 464 Abs. 2 BGB. Die Miterben haften dem Käufer als Gesamtschuldner.
Ist ein Miterbe verstorben und hat seinen Miterbenanteil – zusammen mit seinem Eigenvermögen – weiter vererbt, ist danach zu unterscheiden, über welchen Gegenstand verfügt wird und ob eine weitere Erbengemeinschaft entstanden ist.
2. Ausübung des Vorkaufsrechts
Rz. 33
Die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts beginnt für jeden Vorkaufsberechtigen individuell mit Zugang der Mitteilung über den Abschluss des Kaufvertrages. Diese Mitteilung hat gem. § 469 Abs. 1 S. 1 BGB unverzüglich (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) durch den veräußernden Miterben zu erfolgen. Die Frist beginnt jedoch gleichfalls, wenn der Käufer den Miterben von dem Vertrag mitteilt (§ 469 Abs. 1 S. 2 BGB) oder wenn der Miterbe bei der Beurkundung des Vertrages anwesend war. Eine Mitteilung durch Dritte ist hingegen nicht ausreichend. Die Mitteilung bedarf keiner Form, daher kann sie auch mündlich oder durch einen Beauftragten erfolgen. Es muss sich für den Empfänger jedoch erkennbar um eine rechtlich erhebliche Erklärung und nicht lediglich um eine gesprächsweise Äußerung handeln. Wird der vereinbarte Kaufpreis nicht angegeben, liegt keine Mitteilung i.S.v. § 469 Abs. 1 BGB vor. Vielmehr muss der Verpflichtete die Vertragsbedingungen, die für die Entschließung des Vorkaufsberechtigten von Bedeutung sein können, klar, richtig und vollständig eröffnen. Maßgebend für den Beginn der Frist ist nicht die Kenntnis, sondern die Mitteilung vom Inhalt des Kaufvertrages. Dies gilt au...