Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
a) Mitteilungspflicht über die Verhinderung
Rz. 472
Kann ein Betriebsratsmitglied zu einer Sitzung nicht kommen, so ist es verpflichtet, den Vorsitzenden unverzüglich hierüber zu informieren (BAG v. 5.9.1986 – 7 AZR 175/85, juris; LAG Hessen v. 25.7.2014 – 14 Sa 167/13, juris). Dieser hat dann zu prüfen, ob wirklich ein Verhinderungsfall vorliegt, und wenn er dies bejaht, unverzüglich ein Ersatzmitglied unter Angabe der Tagesordnung zu laden. Der Vorsitzende ist nicht berechtigt, den mitgeteilten Verhinderungsgrund auf Notwendigkeit zu prüfen und ggf. zu verwerfen (LAG Nürnberg v. 13.6.2017 – 7 TaBV 71/16, juris; hier: Mitteilung, wegen eines Termins nicht im Betrieb zu sein). Dies – unverzügliche Ladung des betreffenden Ersatzmitglieds – gilt auch dann, wenn der Vorsitzende weiß, dass ein Mitglied z.B. wegen Krankheit oder Urlaub an der Sitzung verhindert ist. Ist ein Betriebsratsmitglied plötzlich und unvorhersehbar verhindert und ist es – z.B. wegen Ortsabwesenheit – nicht möglich, ein Ersatzmitglied zu laden, so hat dies auf die Wirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses aber keinen Einfluss (LAG Hamm v. 28.7.2006 – 10 TaBV 12/06, juris; LAG Hamm v. 4.2.2005 – 13 TaBV 126/04, juris).
Rz. 473
Der Vorsitzende ist gehalten, sowohl den Zeitpunkt der Verhinderungsmitteilung als auch den Verhinderungsgrund zu den Betriebsratsakten zu notieren, zumindest zu Beginn der Sitzung zu Protokoll zu geben. Lässt sich nicht aufklären, welchen Verhinderungsgrund das nicht erschienene Mitglied angegeben hat (die Aussagen des Betriebsratsvorsitzenden, bei dem sich das Mitglied abgemeldet hat, waren insoweit unklar) – ob also tatsächlich ein Verhinderungsfall gegeben ist – und hat der Vorsitzende kein Ersatzmitglied geladen, kann der Betriebsratsbeschluss als unwirksam anzusehen sein (LAG Hamm v. 22.1.2010 – 13 TaBV 60/09, juris). Dies erscheint als sehr weitgehend. Man wird dem Vorsitzenden insoweit einen Einschätzungsspielraum zubilligen müssen. Allerdings empfiehlt es sich, im Zweifel lieber ein Ersatzmitglied zu laden. Bei fehlender Kenntnis von der Verhinderung ist der Vorsitzende nicht berechtigt, sozusagen prophylaktisch ein Ersatzmitglied zur Sitzung zu laden (LAG München v. 8.3.2012 – 2 TaBV 87/10, juris).
b) Einladung des verhinderten Mitglieds
Rz. 474
Da auch einem verhinderten Betriebsratsmitglied die Möglichkeit gegeben werden muss, sich ein Bild über die in der Sitzung zu treffenden Entscheidungen zu machen und seine Betriebsratskollegen über seine Auffassung in einer bestimmten Angelegenheit zu unterrichten, zu überzeugen und ggf. zu bitten, seine Argumente auf der Betriebsratssitzung vorzutragen (so BAG v. 24.5.2006 – 7 AZR 201/05, juris), ist es notwendig, auch unzweifelhaft verhinderten Mitgliedern eine Einladung zur Sitzung zukommen zu lassen. Auf dieses Erfordernis wird, was oft übersehen wird, auch in der neueren Rechtsprechung, die eine Ergänzung der Tagesordnung durch einstimmigen Beschluss der anwesenden Betriebsratsmitglieder zulässt (BAG v. 15.4.2014 – 1 ABR 2/13 (B), juris; LAG Hamm v. 8.12.2017 – 13 TaBV 72/17, juris), nicht verzichtet. Dies wird allerdings nicht gelten, wenn Betriebsratsmitglieder aus Rechtsgründen an der Teilnahme gehindert sind wie etwa bei gekündigten Arbeitnehmern, bei denen der Kündigungsprozess noch läuft und die deswegen an der Ausübung der Betriebsratstätigkeit gehindert sind, oder bei persönlich betroffenen und daher befangenen Betriebsratsmitgliedern.
Rz. 475
Hinweis
Hinsichtlich der Ladung von Ersatzmitgliedern ist ein einzelnes Betriebsratsmitglied nicht in einer eigenen Rechtsposition betroffen. § 25 Abs. 2 BetrVG begründet kein eigenes Recht eines anderen Betriebsratsmitglieds über die Heranziehung von Ersatzmitgliedern, auch kein Kontrollrecht. Aus diesem Grund soll das einzelne Betriebsratsmitglied auch nicht das Recht haben, die Unwirksamkeit von Beschlüssen feststellen zu lassen (LAG Hessen v. 26.4.2018 – 16 TaBV 215/17, juris). Dies wird allerdings nicht für dasjenige Mitglied gelten, das fehlerhaft nicht geladen worden ist. Insgesamt erscheint die Rechtsprechung als zweifelhaft; zumindest in Fällen, in denen der Vorsitzende grob fehlerhaft oder gar missbräuchlich handelt oder der Fehler von einzelnen bei der Beschlussfassung gerügt worden ist, spricht alles dafür, eine Antragsbefugnis der anderen Mitglieder zuzulassen zu bejahen. Der Arbeitgeber könnte die Unwirksamkeit der gefassten Beschlüsse ohnehin geltend machen.
c) Verhinderungsfall
aa) Krankheit, Urlaub, Elternzeit
Rz. 476
Als Verhinderungsfall gilt nur ein objektiver Umstand, d.h. das Mitglied kann nicht an der Sitzung teilnehmen, selbst wenn es wollte. Kein Verhinderungsfall liegt vor, wenn das Betriebsratsmitglied aus persönlichen Beweggründen von einer Amtsausübung Abstand nimmt. Es besteht nicht die Möglichkeit, den Vertretungsfall willkürlich herbeizuführen und sich durch ein Ersatzmitglied vertreten zu lassen. Der Vorsitzende hat zu prüfen, ob im Hinblick auf die ihm unterbreiteten Hinderungsgründe tatsächlich eine Verhinderung gegeben ist (BAG v. 5.9.1986 – 7 AZR 175/85, juris; LAG Sachsen v. 15.11.2002 – 10 Sa 725/01, juris).
Rz. 477
Di...