Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
1. Beschlussfähigkeit
Rz. 494
Der Betriebsrat kann nur dann wirksame Beschlüsse fassen, wenn er gem. § 33 Abs. 2 BetrVG beschlussfähig ist, d.h. wenn mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder gleichzeitig anwesend ist und an der Abstimmung teilnimmt. Sind allerdings einige Betriebsratsmitglieder ausgeschieden und sind keine Ersatzmitglieder mehr vorhanden, dann werden für die Frage der Beschlussfähigkeit nur diejenigen Mitglieder gezählt, die noch zur Verfügung stehen (vgl. auch § 22 BetrVG). Dasselbe gilt dann, wenn eine Reihe von Betriebsratsmitgliedern vorübergehend objektiv verhindert ist.
Beispiel
Zwei von neun Betriebsratsmitgliedern sind krank, drei Betriebsratsmitglieder sind auswärts auf Schulung. Dann kommt es für die Beschlussfähigkeit auf die vier verbliebenen ordentlichen und die zwei Ersatzmitglieder an, sodass Beschlussfähigkeit gegeben ist, wenn drei hiervon anwesend sind (BAG v. 18.8.1982 – 7 AZR 437/80, juris).
2. Mehrheit
Rz. 495
Zur Fassung eines wirksamen Beschlusses genügt nach § 33 Abs. 1 S. 1 BetrVG, soweit in einzelnen Bestimmungen des BetrVG nichts anders vorgeschrieben ist, die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder. Enthaltungen sind zulässig. Weil aber die Mehrheit der anwesenden Mitglieder für einen bestimmten Antrag sein muss, wirken Enthaltungen im Ergebnis wie Neinstimmen. Zwar ist es nach demokratischen Gepflogenheiten üblich, zunächst nach Ja-, dann nach Neinstimmen und schließlich nach Enthaltungen zu fragen. Vorgeschrieben ist dies jedoch nicht. Die Abstimmung wird daher nicht unwirksam, wenn nur nach Neinstimmen und danach nach Enthaltungen gefragt und sodann auf die Ja-Stimmen rückgeschlossen wird (LAG Baden-Württemberg v. 12.3.2014 – 21 TaBV 6/13, juris). Zumindest, wenn ein anwesendes Betriebsratsmitglied diese Art der Abstimmung rügt, wird der Vorsitzende aber verpflichtet sein, auch die Ja-Stimmen gesondert abzufragen.
Rz. 496
Beispiel
Sind acht Betriebsratsmitglieder anwesend, ist ein Antrag auf Widerspruch gegen eine Kündigung bei einem Abstimmungsverhältnis von viermal ja, einmal nein und drei Enthaltungen abgelehnt. Es war nicht die Mehrheit der acht Anwesenden für den gestellten Antrag. Der Betriebsrat hat nach Ablehnung noch gar nichts beschlossen, insb. nicht die Zustimmung zur Kündigung. Für die Frage, ob der Kündigung zugestimmt wird, wäre eine eigene Abstimmung nötig. Dasjenige, was dem Arbeitgeber in Ausübung des Mitbestimmungsrechtes mitgeteilt werden soll, muss mit der Mehrheit der Stimmen der Anwesenden beschlossen sein.
3. Umlaufverfahren, E-Mail-Zustimmung
Rz. 497
Die Beschlussfassung muss grundsätzlich auf einer Sitzung mit persönlicher Anwesenheit jedes Mitgliedes – in Präsenz – erfolgen. Eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren, etwa per Mail, ist auch dann nicht zulässig, wenn alle Betriebsratsmitglieder mit dieser Verfahrensweise einverstanden sind (BAG v. 4.8.1975 – 2 AZR 266/74, juris). Unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 BetrVG kann eine Sitzung auch als Videositzung oder in Telefonkonferenz oder mit Zuschaltung einzelner Mitglieder per Video oder Telefon erfolgen (vgl. Rdn 458).
4. Ladung und Tagesordnung
Rz. 498
Wirksame Beschlüsse des Betriebsrates können nur gefasst werden, wenn zu der Sitzung alle Betriebsratsmitglieder rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung geladen worden sind (BAG v. 28.4.1988 – 6 AZR 405/86, juris). Das BAG vertritt die Auffassung, § 29 Abs. 2 S. 3 BetrVG gehöre zu den wesentlichen und unverzichtbaren Verfahrensvoraussetzungen, von deren Beachtung die Rechtswirksamkeit der Betriebsratsbeschlüsse abhänge. Will daher der Betriebsrat über die Teilnahme eines Betriebsratsmitgliedes an einer Schulungsveranstaltung "Soziale Angelegenheiten § 87 BetrVG" entscheiden, muss dieser Tagesordnungspunkt bei der Einladung zu der Betriebsratssitzung genannt werden.
Rz. 499
Seine Auffassung, dass der Betriebsrat unter dem Tagesordnungspunkt "Verschiedenes" nur wirksam beschließen könne, wenn er vollständig versammelt ist und kein Betriebsratsmitglied der Beschlussfassung widerspricht (BAG v. 28.10.1992 – 7 ABR 14/92, juris), hat das BAG aufgegeben (15.4.2014 – 1 ABR 2/13 (B), juris; BAG v. 22.11.2017 – 7 ABR 46/16, juris). Auch der 7. Senat hatte erklärt, er halte an seiner anderslautenden Rechtsprechung nicht fest (BAG v. 22.1.2014 – 7 AS 6/13, juris). Die Tagesordnung kann nach dieser jetzigen Rechtsprechung in der Sitzung einvernehmlich ergänzt werden. Es genügt, wenn keines der anwesenden Betriebsratsmitglieder der Aufnahme in die Tagesordnung widerspricht (ausdrückliche Aufgabe insbesondere von BAG v. 24.5.2006 – 7 AZR 201/05, juris). Nicht aufgegeben hat das BAG das Erfordernis, dass sämtliche Betriebsratsmitglieder, einschließlich der erforderlichen Ersatzmitglieder, zur Sitzung geladen sein müssen (BAG, a.a.O.; LAG Hamm v. 24.10.2014 – 13 TaBV 94/13, juris).
Rz. 500
Die Ladung ordentlicher Mitglieder muss auch dann erfolgen, wenn dem Betriebsratsvorsitzenden bekannt ist, dass ein ordentliches Mitglied verhindert ist. Diesem verhinderten Mitglied muss der Vorsitzende die Einladung aber nicht "nachschick...