Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
1. Benachteiligungsverbot
Rz. 645
Die Betriebsratsmitglieder führen ihr Amt gem. § 37 Abs. 1 BetrVG unentgeltlich als Ehrenamt. Sie dürfen gem. § 78 BetrVG in der Ausübung ihrer Tätigkeit weder gestört noch an ihr gehindert werden. Sie dürfen nicht benachteiligt, aber auch nicht bevorzugt werden. Daher darf eine Entgeltminderung nicht stattfinden. Dabei kann auch die Gewährung von Aktienoptionen an ein Betriebsratsmitglied durch eine andere Konzerngesellschaft Arbeitsentgelt i.S.d. § 37 Abs. 4 BetrVG darstellen, das den Betriebsratsmitgliedern nicht vorenthalten werden darf (BAG v. 16.1.2008 – 7 AZR 887/06, juris).
Rz. 646
Aufgrund des Benachteiligungsverbotes nach § 78 S. 2 BetrVG darf ein Betriebsratsmitglied in seiner beruflichen Entwicklung keine Nachteile erleiden. Daher genießen Betriebsratsmitglieder gem. § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG einen besonderen Entgeltschutz. Abzustellen ist auf das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer (Einzelheiten vgl. oben Rdn 580 ff.). Zweck des § 37 Abs. 4 BetrVG ist, das Betriebsratsmitglied vor finanziellen Nachteilen wegen der Ausübung der Betriebsratstätigkeit zu schützen. Also kommt es darauf an, ob die Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds während der Dauer seiner Amtszeit in Relation zu derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückgeblieben ist. Damit garantiert die Vorschrift dem Betriebsratsmitglied nicht die der Höhe nach absolut gleiche Vergütung, die vergleichbare Arbeitnehmer erhalten (BAG v. 14.10.2020 – 7 AZR 286/20, juris).
Rz. 647
Die Gehaltsentwicklung darf während der Dauer der Amtszeit in Relation zu den vergleichbaren Arbeitnehmern nicht zurückbleiben. Auch wenn das Problem häufig bei freigestellten Betriebsratsmitgliedern besteht, ist nicht der Zeitpunkt der Freistellung, sondern derjenige der Amtsübernahme maßgeblich (BAG v. 22.1.2020 – 7 AZR 222/19, juris). Bei Ersatzmitgliedern ist nicht auf den Zeitpunkt der Betriebsratswahl, sondern auf den Zeitpunkt des Nachrückens in den Betriebsrat abzustellen (BAG v. 15.1.1992 – 7 AZR 194/91, juris).
Rz. 648
Vom Benachteiligungsgebot des § 78 S. 2 BetrVG wird nicht nur die berufliche Tätigkeit, sondern auch das sich ergebende Entgelt erfasst. Ein Betriebsratsmitglied, das nur infolge der Amtstätigkeit nicht in eine Position mit höherer Vergütung aufgestiegen ist, kann daher unmittelbar auf Zahlung der höheren Vergütung klagen (BAG v. 14.10.2020 – 7 AZR 286/18, juris). Beförderungen lassen sich über §§ 37 Abs. 4, 78 BetrVG nur erreichen, wenn dafür typische Geschehensabläufe und Gesetzmäßigkeiten sprechen. Es muss sich um eine betriebsübliche Entwicklung handeln, die nur bejaht werden kann, wenn nach den betrieblichen Gepflogenheiten das Betriebsratsmitglied zur Beförderung angestanden hätte oder wenn wenigstens die überwiegende Mehrheit der vergleichbaren Arbeitnehmer einen derartigen Aufstieg erreicht hat. Vergleichbar sind die Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten wie das Betriebsratsmitglied ausgeübt haben und dafür in ähnlicher Art und Weise wie das Betriebsratsmitglied fachlich und persönlich qualifiziert waren (umfassend BAG v. 18.1.2017 – 7 AZR 205/15, juris; BAG v. 19.1.2005 – 7 AZR 208/04, juris).
Rz. 649
Die Betriebsüblichkeit des beruflichen Aufstieges der als vergleichbar angesehenen Arbeitnehmer muss sich aus einem gleichförmigen Verhalten des Arbeitgebers und einer von ihm aufgestellten Regel ergeben. Die bloße Vergleichbarkeit der beruflichen Entwicklung der Arbeitnehmer in der Vergangenheit ist dabei nicht ausreichend (BAG v. 17.8.2005 – 7 AZR 528/04, juris). Zu weitgehend dürfte es allerdings sein, es nicht als ausreichend anzusehen, wenn mehrheitlich Beförderungen vorgenommen worden sind (so aber LAG Hessen v. 19.11.2013 – 13 Sa 640/13, juris, mit der Begründung, es sei keine Regel erkennbar, weil die Beförderungen unterschiedliche Gehaltserhöhungen mit sich gebracht hätten). Steht nur eine einzige Beförderungsstelle zur Verfügung, entsteht ein Beförderungsanspruch nach § 37 Abs. 4 BetrVG nur dann, wenn unter Zugrundelegung der betriebsüblichen Auswahlkriterien die Wahl gerade auf das Betriebsratsmitglied hätte fallen müssen (BAG v. 13.11.1987 – 7 AZR 550/86, juris).
Rz. 650
Das Betriebsratsmitglied kann nach § 242 BGB einen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber hinsichtlich der Gehaltsentwicklung bestimmter vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung haben (BAG v. 19.1.2005 – 7 AZR 208/04, juris). Allerdings müssen gewisse Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die Benachteiligungspflicht vorhanden sein; letztlich darf die Darlegungs- und Beweissituation nicht durch die Gewährung materiell-rechtlicher Auskunftsansprüche unzulässig verändert werden (Einzelheiten vgl. LAG Hessen v. 1.10.2013 – 8 Sa 237/13, juris; ebenso LAG Sachsen v. 2.8.2021 – 1 Sa 321/20, juris). Für das Vorliegen einer unzulässigen Benachteiligung trägt das Betriebsratsmitglied grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast. Dabei ge...