Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
1. Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung
Rz. 90
Mit dem Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid, § 700 Abs. 3 S. 1 BGB, kann beantragt werden, die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen, §§ 719, 707 ZPO, denn Vollstreckungsbescheide stehen einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich, § 700 Abs. 1 ZPO. Das Gericht stellt die Zwangsvollstreckung grundsätzlich nur gegen Sicherheitsleistung ein. Ausnahmen gelten meist nur, wenn der Vollstreckungsbescheid nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder der Antragsgegner glaubhaft macht, dass er das Versäumen der Widerspruchsfrist nicht verschuldet hat. Denn dass die Voraussetzungen des § 707 Abs. 1 S. 2 ZPO vorliegen, ist äußerst selten der Fall. Dazu müsste die Vollstreckung dem Antragsgegner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen. Der mögliche Zwang zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist unmaßgeblich. Bloße finanzielle Nachteile des Antragsgegners genügen ebenfalls nicht, auch nicht eine drohende Insolvenz. Der unersetzliche Nachteil muss gerade durch die Vollstreckung ausgelöst werden. Die irreparablen Folgeschäden müssten etwa mit dem Verlust der Existenzgrundlage verbunden sein.
Rz. 91
Im Übrigen endet die Vollstreckbarkeit erst mit Aufhebung des Vollstreckungsbescheids durch das Endurteil des Prozessgerichts.
2. Maßnahmen des Antragstellers
Rz. 92
Bei einem Einspruch gibt das Mahngericht den Rechtsstreit von Amts wegen an das im Mahnbescheid gemäß § 692 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bezeichnete Gericht ab (wenn die Parteien übereinstimmend die Abgabe an ein anderes Gericht verlangen, an dieses), § 700 Abs. 3 ZPO. Ist der Einspruch nicht fristgerecht innerhalb von zwei Wochen erfolgt, ist mit einem Verwerfungsantrag zu erwidern, § 700 Abs. 4 ZPO. Ansonsten ist zu beantragen, dass der Vollstreckungsbescheid (als Vollstreckungstitel) aufrechterhalten wird.
3. Wiedereinsetzungsantrag des Antragsgegners
Rz. 93
Hat der Antragsgegner die Einspruchsfrist versäumt, kommt für ihn nur noch ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung ist erforderlich, wenn eine der in § 233 ZPO genannten Fristen versäumt wurde. Voraussetzung hierfür ist aber, dass der Antragsgegner die Frist unverschuldet nicht eingehalten hat. Die Wiedereinsetzungsfrist beträgt ebenfalls zwei Wochen. Die Frist beginnt mit der Beseitigung des Hindernisses, § 234 ZPO.
Nach §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO müssen alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Relevanz sein können, innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist vorgetragen werden, z.B. welche Sicherungen es in der Kanzlei gegen ein unbeabsichtigtes Löschen von Fristen gab.
Bei offensichtlich unverschuldeter Fristversäumung kann das Gericht Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewähren, wenn die versäumte Prozesshandlung fristgerecht nachgeholt wird und die unverschuldete Fristversäumung offensichtlich ist oder plausibel glaubhaft gemacht wird.
Die Voraussetzungen für einen Wiedereinsetzungsantrag sind also:
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Es müssen Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich ergibt, dass die Fristversäumung unverschuldet war. |
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Ferner müssen Tatsachen dargelegt werden, aus denen folgt, dass der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig gestellt wurde. |
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Alle Tatsachen sind glaubhaft zu machen, § 294 ZPO, also ggf. durch eine eidesstattliche Versicherung – auch des Antragsgegners – zu belegen. Urkunden sind ebenfalls zur Glaubhaftmachung geeignet. |
Rz. 94
Hat der Antragsgegner die Frist verschuldet versäumt, ist eine weitere Verteidigung gegen den Vollstreckungsbescheid ausgeschlossen. Er kann den Einspruch dann nicht mehr nachholen.
Rz. 95
Für den Antragsteller ist zu prüfen, ob der Tatsachenvortrag des Antragsgegners im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bestritten werden kann und ob die Glaubhaftmachung alle behaupteten Tatsachen umfasst. Bei entsprechenden Anhaltspunkten ist zu beantragen, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen wird.