I. Allgemeines
Rz. 146
Die dingliche Surrogation ist in § 2041 BGB für die Erbengemeinschaft geregelt. Es handelt sich um eine erbrechtliche Besonderheit, die außerdem noch in § 2019 BGB für den Erbschaftsanspruch und § 2111 BGB für die Vor- und Nacherbfolge normiert ist: Sie führt im Fall des § 2041 BGB zu einer unmittelbaren Ersetzung der Nachlassgegenstände durch den Ersatzgegenstand und bewahrt nach der ratio legis die Miterben und Nachlassgläubiger vor einer Verringerung des Nachlassvermögens. Eine Mitwirkung der Erben ist nicht erforderlich: Der Ersatzgegenstand wird vielmehr ohne Zutun der Miterben Gegenstand des gesamthänderisch verbundenen Vermögens der Erbengemeinschaft.
Rz. 147
Die Auswirkungen von § 2041 BGB werden in der Praxis häufig übersehen. Die unmittelbare Ersetzung hat den Zweck,
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die realen Werte des Vermögens der Erbengemeinschaft zu binden; |
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den Nachlass im Interesse der Miterben und der Nachlassgläubiger über alle Wechsel der zu ihm gehörenden konkreten Bestandteile hinweg zusammenzuhalten und |
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für den Zweck des Sondervermögens zu reservieren. |
Rz. 148
Dies wird dadurch erreicht, dass
Zitat
"die im Laufe der wirtschaftlichen Entwicklung des Sondervermögens eintretenden Änderungen im konkreten Bestand seiner Einzelteile unter bestimmten Voraussetzungen in den vom Gesetz geordneten Surrogationsfällen kraft Gesetzes auch zu einer entsprechenden rechtlichen (dinglichen) Zuordnung der Ersatzstücke (Surrogate) zu dem Sondervermögen und seinen Trägern führen".
Rz. 149
Dahinter steht der Gedanke, dass der Wert des Sondervermögens und nicht seine konkrete Erscheinungsform das Ausschlaggebende ist. Wenn der Wert des Ganzen erhalten bleiben soll, muss daher jeder Umsatz einzelner Bestandteile des Vermögens und der darin liegende Abfluss realer Werte durch die rechtliche Neuzuordnung eben derjenigen konkreten Ersatzgegenstände zum Nachlass ausgeglichen werden, in die die abgeflossenen Werte eingegangen sind.
II. Gegenstand der Surrogation
Rz. 150
Die möglichen Gegenstände der Surrogation werden durch § 2041 BGB bestimmt. Die Formulierung des § 2041 BGB ist offen ("Was … erworben wird"). Jedenfalls können
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verkörperte Gegenstände und |
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Forderungen |
durch ein Surrogat ersetzt werden.
Rz. 151
Um einen umfassenden Schutz der Miterben und Nachlassgläubiger zu gewährleisten, hat der BGH aber auch entschieden, dass
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nicht übertragbare Rechte sowie |
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nicht übertragbare Rechtsstellungen |
ebenfalls Erwerbsgegenstand einer Surrogation sein können. Seine gegenteilige Auffassung hat der BGH ausdrücklich aufgegeben.
III. Formen der Surrogation
1. Rechtssurrogation
Rz. 152
Die erste Alternative von § 2041 BGB regelt den Surrogationserwerb für den Fall der Rechtssurrogation. Der Begriff des "Rechts" ist weiter als der des Anspruches i.S.v. § 194 BGB. Neben den unmittelbaren schuldrechtlichen und sachlichen Ansprüchen sind die Früchte i.S.v. § 99 Abs. 2 BGB ebenfalls mit umfasst. Aber auch Rechte, die nicht gleichzeitig Ansprüche sind, fallen unter die 1. Alt. Dies sind namentlich Gestaltungsrechte (wie Anfechtung, Kündigung, Rücktritt, Widerruf), absolute Rechte (wie Eigentum, Persönlichkeitsrecht und Urheberrecht), und das Recht zum Besitz (§ 986 BGB).
Rz. 153
Es ist gleichgültig, ob die ursprüngliche Rechtsposition dem Zivilrecht oder dem öffentlichen Recht entstammt. Soweit es um einen Erwerb aufgrund eines rechtsgeschäftlich begründeten Anspruches geht, kommt die Rechtssurrogation nur in Betracht, soweit das Rechtsgeschäft noch vom Erblasser selbst abgeschlossen worden und damit der bereits entstandene Anspruch in den Nachlass gefallen ist. Wird das Rechtsgeschäft hingegen erst von einem oder mehreren Miterben getätigt, können die Voraussetzungen einer Beziehungssurrogation erfüllt sein.
2. Ersatzsurrogation
Rz. 154
Die zweite Alternative von § 2041 BGB regelt den Surrogationserwerb für den Fall der Ersatzsurrogation. Hierunter fallen die Leistungen aufgrund von Schadensersatzansprüchen "für Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines Nachlassgegenstandes" nach dem Erbfall (sonst Rechtssurrogation). Dies sind bspw. Ersatzansprüche gegen den Testamentsvollstrecker, wenn der Schaden in einer Verminderung des Nachlasswertes besteht. Ist der Schaden jedoch auf Fehler des Testamentsvollstreckers bei der Auseinandersetzung zurückzuführen, so handelt es sich um Ansprüche, die dem oder den betroffenen Miterben einzeln zustehen. Verletzt ein Notar bei der Beurkundung eines Rechtsgeschäfts, das sich auf einen Nachlass bezieht, fahrlässig die ihm gegenüber den Miterben obliegende Amtspflicht, gehört der Schadensersatzanspruch gegen den Notar ebenfalls zum Nachlass, wenn die Miterben nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermögen.
Rz. 155
Beispiel (Lösung Frage 10 – Rdn 1)