Dr. iur. Christa Bienwald, Dr. Claus-Henrik Horn
A. Wozu eine Kontrolle des Bevollmächtigten?
Rz. 1
Mit einer Vollmacht räumt der Vollmachtgeber dem Bevollmächtigten je nach Inhalt und Umfang der Vollmacht die Berechtigung ein, für ihn zu handeln, und zwar primär dann, wenn er selbst nicht mehr handlungsfähig ist. Die daraus sich ergebende Berechtigung enthält nicht nur die schlichte Handlungspflicht nach den Haftungsmaßstäben der diligentia quam in suis, sondern auch die Pflicht, sich nach dem Wohl und dem Willen des Vollmachtgebers zu richten. Diese einem Betreuer gleichstehende Pflicht bedarf je nach der konkret sich ergebenden Situation eines Schutzes für den Vollmachtgeber, obwohl damit gleichzeitig in sein verfassungsrechtlich geschütztes Selbstbestimmungsrecht eingegriffen werden kann/wird. Schließlich wird ein Bevollmächtigter durch das Betreuungsgericht weder überwacht noch kontrolliert. Das kann den Missbrauch einer Vollmacht erleichtern.
Rz. 2
Den Schutz des Vollmachtgebers gibt der Gesetzgeber mit der Kontrollbetreuung gem. § 1815 Abs. 3 BGB mit § 1820 Abs. 3 bis 5 BGB (§ 1896 Abs. 3 BGB a.F.). Der Kontrollbetreuer hat als Aufgabenbereich die Aufgabe, Rechte des Vollmachtgebers gegenüber dem Bevollmächtigten geltend zu machen, d.h. Ausübung von Kontrolle und Überwachung des Außen- und des Innenverhältnisses zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem. Er wird hierzu vom Betreuungsgericht (neuerlich von dem Richter) bestellt. Nach der zum 1.1.2023 in Kraft tretenden Reform ist der Kontrollbetreuer auch zum Vollmachtswiderruf berechtigt, der aber nur nach vorheriger betreuungsgerichtlicher Genehmigung zulässig ist (§ 1820 Abs. 5 S. 2 BGB).
Rz. 3
Im Rahmen seiner Tätigkeit ist der Kontrollbetreuer wie der sonstige Betreuer gesetzlicher Vertreter des Vollmachtgebers und unterliegt der Überwachung des Betreuungsgerichts. Seine Aufgaben beschränken sich auf die Rechte, die der Vollmachtgeber gegenüber dem Bevollmächtigten hat. Durch die Reform sind die Rechte insoweit erweitert worden, dass der Kontrollbetreuer auch Auskunfts- und Rechenschaftsansprüche gegenüber Dritten geltend machen kann (§ 1815 Abs. 3 BGB). Der Kontrollbetreuer übernimmt aber weiterhin keine Vertretung gegenüber Vertragspartnern.
B. Erforderlichkeit einer Kontrollbetreuung
I. Änderungen durch Reform
Rz. 4
§ 1896 Abs. 3 BGB a.F. ist in § 1815 Abs. 3 BGB aufgegangen. Es handelt sich um den Aufgabenbereich Kontrolle des Bevollmächtigten. Danach ist es dem Kontrollbetreuer möglich, die Rechte des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten geltend zu machen. Hierzu zählt auch der Widerruf der Vollmacht. Nach altem Recht musste die Befugnis, Vollmachten zu widerrufen, noch ausdrücklich als Aufgabe durch Beschluss angeordnet worden sein. Sinnvollerweise wird mit § 1815 Abs. 3 BGB im Gegensatz zur alten Rechtslage die Befugnisse des Kontrollbetreuers erweitert, da dieser auch Auskunfts- und Rechenschaftsansprüche des Betreuten gegenüber Dritten geltend machen kann. Der Gesetzgeber hat etwa an Banken, Grundbuchämter oder sonstige Dritte gedacht. So würde dem Kontrollbetreuer eine effiziente Kontrolle des Bevollmächtigten gerade bei einem (drohenden) Missbrauch der Vollmacht ermöglicht werden. Maßgaben, die von der Rechtsprechung zum alten Recht entwickelt wurden, sind nunmehr in § 1820 Abs. 3 BGB aufgenommen und konkretisiert worden, auch in § 1815 Abs. 3 BGB: § 1820 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 BGB normiert die kumulativen Erfordernisse, in welchen Fällen ein Kontrollbetreuer durch das Betreuungsgericht zu bestellen ist. Erst bei Feststellung eines konkreten Überwachungsbedarfes wird ein Kontrollbetreuer erforderlich. Der Gesetzgeber stellt durch § 1820 Abs. 5 BGB nunmehr den Widerruf einer Vollmacht unter einen betreuungsgerichtlichen Genehmigungsvorbehalt (siehe Rdn 22 ff.). Um Missbrauch durch eine Vollmacht zu vermeiden, erlaubt es § 1820 Abs. 4 BGB dem Betreuungsgericht anzuordnen, dass der Bevollmächtigte die ihm erteilte Vollmacht nicht ausüben darf und die Vollmachtsurkunde an den Betreuer herauszugeben hat (siehe Rdn 20 ff.).
Es handelt sich nach den neuen Begrifflichkeiten bei der Zuweisung der Geltendmachung von Rechten des Betreuten um einen Aufgabenbereich, nicht um einen Aufgabenkreis. Der Aufgabenkreis eines Betreuers setzt sich aus allen ihm zugewiesenen Aufgabenbereichen zusammen. Neben dem Aufgabenkreis der Kontrollbetreuung kann das Gericht dem Betreuer auch weitere Aufgabenbereise zuordnen.
II. Überblick
Rz. 5
Für die Einrichtung einer Kontrollbetreuung ("Vollmachtsüberwachungsbetreuung") nach § 1815 Abs. 3 BGB i.V.m. § 1820 Abs. 4 BGB (§ 1896 Abs. 3 BGB a.F.) müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:
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eine wirksame Vollmacht, die bislang nicht widerrufen wurde, |
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fehlender freier Wille nach § 1814 Abs. 2 BGB (§ 1896 Abs. 1a BGB a.F.), |
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Unvermögen des Vollmachtgebers zur Überwachung des Bevollmächtigten aus den in § 1820 Abs. 3 Nr. 1 BGB (§ 1896 Abs. 1 BGB a.F.... |