Rz. 409
Neue Regelungen wurden für Selbstständige in der EU erlassen. Vorübergehende selbstständige Tätigkeit in einem EU-Staat soll, soweit sie vierundzwanzig Monate nicht überschreitet, ebenfalls wie bei der Entsendung von Beschäftigten gehandhabt werden. Art. 12 Abs. 2 VO (EG) 883/04 lautet:
Zitat
"Eine Person, die gewöhnlich in einem Mitgliedsstaat eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt und die eine ähnliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedsstaat ausübt, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedsstaates, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Tätigkeit vierundzwanzig Monate nicht überschreitet."
Hierdurch soll erreicht werden, dass die administrativen Probleme und Unklarheiten beseitigt werden, wenn ein Selbstständiger, der vorübergehend in einem anderen Mitgliedsstaat arbeitet, den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates unterstellt würde. Dies könnte zu einer erheblichen Einbuße von Leistungsansprüchen führen.
Die Durchführungsverordnung VO (EG) 987/09 führt für die selbstständige Tätigkeit aus, dass diese dann vorliegen soll, wenn eine Person nennenswerte Tätigkeiten auf dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates ausübt, in dem sie ansässig ist. Insb. soll diese selbstständige Person ihre Tätigkeit bereits einige Zeit vor dem Zeitpunkt, den sie im Ausland tätig werden will, ausgeübt haben und muss während ihrer vorübergehenden Tätigkeit in einem anderen Mitgliedsstaat die für die Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlichen Anforderungen erfüllen, um die Tätigkeit bei ihrer Rückkehr auch fortsetzen zu können. In dem Beschluss der Verwaltungskommission Nr. A2 werden Indizien genannt, wann eine Person, die einer selbstständigen Tätigkeit nachgeht, noch als ansässig i.S.d. Art. 14 Abs. 3 der VO (EG) 987/09 gelten soll. Dies soll dann der Fall sein, wenn die Person
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Büroräume, Werkstätten o. ä. unterhält; |
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Steuern zahlt; |
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einen Gewerbeausweis besitzt; |
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eine Umsatzsteuernummer nachweist, bei der Industrie- und Handelskammer oder in einem Berufsverband eingetragen ist. |
Des Weiteren führt der Beschluss aus, dass die Tätigkeit mindesten zwei Monate vor Aufnahme der Tätigkeit im Ausland ausgeübt werden musste.
Rz. 410
Als wesentliche Voraussetzung wird bestimmt, dass die vorübergehend im Ausland ausgeübte Tätigkeit ähnlich der ist, die in Deutschland ausgeübt wird. Es kommt insoweit auf die tatsächliche Eigenart der Tätigkeit an, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass, wenn die Tätigkeit in der gleichen Branche erbracht wird, eine Ähnlichkeit gegeben ist. Wird mithin ein Bauunternehmer oder ein IT-Spezialist im Ausland in demselben Bereich tätig, den er auch in Deutschland ausübt, wird man von einer Ähnlichkeit der Tätigkeit sprechen können. Wird jedoch der IT-Spezialist, der die Implementierung von bestimmten Software-Produkten in Deutschland ausübt, im Ausland tätig und ändert sich die Tätigkeit in der Weise, dass er nunmehr Mitarbeiter in verschiedenen Software-Programmen schult, kann der Fall gegeben sein, dass hier eine Ähnlichkeit der Tätigkeit nicht mehr angenommen werden kann.
Unerheblich ist, im Gegensatz zur alten EWG-VO 1408/71, ob die Tätigkeit in dem anderen EU-Staat als abhängige oder selbstständige Tätigkeit qualifiziert wird. Gem. Art. 14 Abs. 4 VO (EG) 987/09 wird festgelegt, dass dieses Kriterium nunmehr nicht mehr zu Problemen führt. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn gem. Art. 13 VO (EG) 883/04 eine Person gewöhnlich in verschiedenen Mitgliedsstaaten diese Beschäftigung und eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt. In dieser Konstellation des Zusammenfallens von zwei Tätigkeitsarten, nämlich der selbstständigen Erwerbstätigkeit sowie der abhängigen Beschäftigung, bestimmt Art. 13 Abs. 3 VO (EG) 883/04, dass dann die Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaates angewandt werden müssen, in dem die abhängige Beschäftigung ausgeübt wird. Wird mithin eine Person, die in Deutschland einer selbstständigen Tätigkeit als Bauunternehmer nachgeht, in einem anderen Mitgliedsstaat (z.B. Frankreich) pro Monat für eine Woche in einer abhängigen Beschäftigung tätig, sind die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates (Frankreich) auf den gesamten Sachverhalt anzuwenden. Hier ist mithin eine Überprüfung des gesamten Sachverhaltes notwendig, inwieweit möglicherweise eine ähnliche Tätigkeit ausgeübt wird oder tatsächlich eine echte abhängige Beschäftigung vorliegt.