Rz. 288
Die Verlängerung der Verjährungsfrist, die nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Recht verboten und daher nichtig war (§§ 134 BGB, 225 BGB a.F.), wird seit dem 1.1.2002 stärker einer Disposition durch die Beteiligten überlassen. Der Gesetzgeber ist damit einem von ihm erkannten Bedürfnis der Praxis nach Parteivereinbarungen zur Verlängerung der Verjährungsfrist nachgekommen. Darüber hinaus werden gesetzlich nicht vorgesehene Hemmungs- und Unterbrechungsgründen nunmehr gestattet, und zwar ohne dass Formvorschriften vorgesehen sind.
Rz. 289
Zum möglichen Instrumentarium für Parteihandlungen zählen der Verzicht auf die Einrede der Verjährung, vertragliche Urteilersetzungen, aber auch das pactum de non petendo (Rdn 313).
(1) Verjährungsverzicht
Rz. 290
Hinweis
Ergänzend Rdn 244, 265 ff.; § 2 Rdn 1176 ff.
Rz. 291
Der Verjährungsverzicht ist eine einseitige formlose Erklärung. Er kann schriftlich, aber auch mündlich (telefonisch), erklärt werden, und zwar auch schon vor Verjährungseintritt. Der rechtsgeschäftliche Aufgabewille ist nicht zu vermuten, konkludentes Verhalten muss eindeutig auf einen Verzicht hindeuten.
Rz. 292
Durch den Verjährungsverzicht wird die Forderung nicht unverjährbar. Der Verjährungsverzicht führt letztlich zur Hemmung, allerdings ohne die Nachfrist von drei Monaten. Der Verjährungsverzicht hat nicht den Charakter eines Anerkenntnisses und unterbricht daher nicht die Verjährung. Die ursprüngliche Verjährung läuft anschließend weiter.
Rz. 293
Ein befristeter Verzicht des Schuldners auf die Erhebung der Verjährungseinrede soll dem Gläubiger im Zweifel nur die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs vor Ablauf der Verzichtsfrist ermöglichen. Eine Auslegung dahin, dass der Verzicht den Gläubiger so stellen soll, dass sich sämtliche während der Verzichtsfrist auftretenden Tatbestände für eine Hemmung oder einen Neubeginn der Verjährung auch auf den Lauf der Verzichtsfrist auswirken, entbehrt jeder Grundlage.
Rz. 294
Die Verzichtserklärung ist eine Willenserklärung, die der Auslegung zugänglich ist. Der Verjährungsverzicht richtet sich an den Regeln einer einseitigen Willenserklärung aus und kann daher angefochten werden. Wenn Schadenersatzbeziehungen ein längerfristig angelegtes rechtliches Schuldverhältnis bilden (häufiger Fall der Personenschadenregulierung), kommt dann ähnlich wie in § 314 BGB eine Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht.
Rz. 295
Vereinbarungen zur Verjährungserschwerung sind nicht an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden. Die Parteien können sowohl vor Entstehung des Anspruchs eine noch nicht laufende als auch nachträglich (ergänzend Rdn 270, 299) eine bereits laufende Verjährungsfrist verlängern. Verzichte können also auch schon vor Eintritt der Verjährung abgegeben werden.
Rz. 296
Die unter den Parteien vereinbarte Erleichterung oder Erschwerung der Verjährung für einen Anspruch erstreckt sich regelmäßig auch auf solche Ansprüche, die hiermit konkurrieren oder alternativ an deren Stelle treten. Eine Auslegungsregel, der Verzicht solle den Gläubiger im Zweifel so stellen, dass sämtliche während der Verzichtsfrist auftretende Tatbestände für eine Hemmung oder einen Neubeginn der Verjährung sich auch auf den Lauf der Verzichtsfrist auswirken, gibt es aber nicht. Siehe aber auch Rdn 365 ff.
Rz. 297
Der Verzicht auf die Einrede der Verjährung einem späteren Zessionar gegenüber bezieht sich nur auf solche Ansprüche, die dem Zessionar im Zeitpunkt der Verzichtserklärung bereits zustanden und bezüglich derer die Aktivlegitimation dem Schädiger bekannt gewesen ist. Zu unbefugten Gesprächsteilnehmern, falschen Beklagten und Zustellungsbevollmächtigten Rdn 836 ff.
Rz. 298
Der Verjährungsverzicht ist grundsätzlich nur bilateral und gilt nicht für etwaige Rechtsnachfolger (Rdn 248).