Ansgar Beckervordersandfort
Rz. 30
Im Ergebnis ist es auch nach der Rechtsprechung des BGH aus 2016 zum Fristanlauf bei § 2325 Abs. 3 BGB sehr schwierig, für Grundstücksübertragungen, bei denen sich der Schenker weniger zurückbehält als beim Totalnießbrauch, eine Rechtsprechungsprognose zu treffen.
Rz. 31
Es ist nach dem Urteil des BGH aus 2016 davon auszugehen, dass auch ein vorbehaltenes Wohnungsrecht am gesamten Objekt dem Fristanlauf nach § 2325 Abs. 3 BGB entgegenstehen kann. Danach ist es nicht erheblich, ob der Übergeber beispielsweise das Hausgrundstück aufgrund eines vorbehaltenen Totalnießbrauches oder aufgrund eines vorbehaltenen Wohnungsrechtes bis zu seinem Tode unter Ausschluss des Erwerbers weiternutzen kann. Eine dem Totalnießbrauch vergleichbare Vertragsgestaltung liegt insoweit vor allem dann vor, wenn das Wohnungsrecht in seiner Ausübung auf Dritte übertragbar ausgestaltet wird, da der Wohnungsberechtigte insoweit eine dem Nießbraucher vergleichbare Rechtsposition erlangt.
Rz. 32
Wird ein Hausgrundstück übertragen, bei dem sich das Wohnungsrecht des Übergebers lediglich auf einzelne Räume beschränkt, wie dies in dem vom BGH in 2016 entschiedenen Fall gegeben war, spricht vieles für einen Fristanlauf. Eine starre Grenze von z.B. 50 % gibt es aber nicht.
Rz. 33
Wenn es den Beteiligten daher bei der Übertragung von Grundbesitz entscheidend darauf ankommt, die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB in Gang zu setzen, sollte nach Abwägung aller Umstände der Katalog der Rücktrittsgründe reduziert werden, indem z.B. das Rückerwerbsrecht des Übergebers für den Fall der Veräußerung/Belastung/Vermietung ohne Zustimmung aus dem Vertragstext herausgenommen wird, so dass der Erwerber die Verfügungsbefugnis über den Gegenstand erwirbt, wenn er denn schon die Nutzungsbefugnis nur eingeschränkt erhält.
Rz. 34
Auch bietet sich bei einem Mehrfamilienhaus die Umwandlung in Wohnungseigentum an, wenn sich der Übergeber an einzelnen Wohnungen Nutzungsrechte vorbehalten möchte. Zumindest ein Teil der neugebildeten Eigentumswohnungen könnte dann vorbehaltlos übertragen werden, so dass insoweit der Fristanlauf bewirkt wird.
Rz. 35
Wenn die Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen erreicht werden soll, ist die lebzeitige Übertragung von Immobilien aber auf jeden Fall die günstigere Alternative im Vergleich zur Beibehaltung des status quo, denn auch wenn ein vorbehaltenes Nutzungsrecht möglicherweise die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB nicht anlaufen lässt, so kann doch nach ständiger Rechtsprechung des BGH der Wert eines vorbehaltenen Nutzungsrechtes dann vom Schenkungswert in Abzug gebracht werden, wenn es entsprechend dem Niederstwertprinzip für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches nach § 2325 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BGB auf den Wert des Schenkungsobjektes zum Zeitpunkt der Schenkung selbst ankommt.
Rz. 36
Schließlich kann der pflichtteilsergänzungsrelevante Schenkungsanteil der Zuwendung dadurch reduziert werden, dass Gegenleistungen vereinbart werden. Der BGH lässt sogar eine nachträgliche Vereinbarung von Gegenleistungen zu. Den Beteiligten steht bei der Bewertung wiederkehrender Leistungen zudem ein gewisser Bewertungsspielraum zu, so dass Leistung und Gegenleistung nicht völlig ausgewogen sein müssen, wenn die Beteiligten insgesamt von einem entgeltlichen Rechtsgeschäft ausgehen.
Rz. 37
Man erreicht insoweit die günstigste Gestaltung, wenn der Anteil der vorbehaltenen Nutzungsrechte so gering ist, dass der Übergeber sich nicht mehr den "wesentlichen Genuss" am übergebenen Grundstück vorbehält, oder die Gegenleistungen so hoch sind, dass der der Pflichtteilsergänzung unterliegende Schenkungsanteil kaum mehr ins Gewicht fällt. Bei einer nach den Umständen vertretbaren Würdigung der Werte von Leistung und Gegenleistung ist sogar die Annahme eines entgeltlichen Rechtsgeschäftes möglich.