1. Allgemeines
Rz. 61
§ 13d Abs. 1, 3 ErbStG regelt, dass bebaute Grundstücke oder Grundstücksteile nur mit 90 % ihres Werts anzusetzen sind, wenn sie
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zu Wohnzwecken vermietet werden, |
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im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegen sind und |
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nicht zum begünstigten Betriebsvermögen oder begünstigten Vermögen eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft i.S.d. § 13a ErbStG gehören. |
Rz. 62
Maßgebend sind die Verhältnisse zum Besteuerungszeitpunkt i.S.d. § 9 ErbStG (siehe § 9 Rdn 1 ff.>).
Rz. 63
Neben inländischem Grundbesitz fallen nur in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) belegene Grundstücke unter die Privilegierung. Nach dem Austritt eines Mitgliedstaates aus der EU – wie im Falle Großbritanniens – greift die Steuerbefreiung für in diesem Mitgliedstaat belegene Immobilien (sofern dann keine Mitgliedschaft im EWR vorliegt) nicht mehr. Dies gilt sowohl im Rahmen von lebzeitigen Zuwendungen also auch im Erbfall.
Rz. 64
In der Praxis stellen sich in erster Linie Fragen zur Auslegung der Tatbestandsmerkmale "bebaute Grundstücke" (siehe Rdn 65 ff.>) und "zu Wohnzwecken vermietet" (siehe Rdn 69 ff.>), wie die bisherige Kasuistik des BFH zeigt.
2. Begünstigte Grundstücksarten
Rz. 65
Begünstigungsfähig sind grundsätzlich nur bebaute Grundstücke i.S.d. § 180 ff. BewG (siehe § 8 Rdn 37 ff.>), nicht hingegen unbebaute Grundstücke i.S.d. § 179 BewG. Auch bebaute Grundstücksteile, wie z.B. wesentliche Bestandteile eines Grundstücks oder Gebäudes i.S.d. § 94 BGB, können Gegenstand der Befreiung sein. Nach Ansicht der Finanzverwaltung gehören zu den bebauten Grundstücken und Grundstücksteilen i.S.d. § 13d ErbStG Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum sowie Garagen, Nebenräume und Nebengebäude, die sich auf dem Grundstück befinden und mit den vermieteten Wohnungen gemeinsam genutzt werden.
Rz. 66
Erbbaurechte, nicht aber ein mit einem Erbbaurecht belastetes Grundstück, können ein bebautes Grundstück i.S.d. § 13d ErbStG sein, da das auf dem Erbbaugrundstück befindliche Gebäude zivilrechtlich Bestandteil des Erbbaurechts und nicht des Grundstücks ist.
Rz. 67
Auch Gebäude auf fremdem Grund und Boden (siehe § 8 Rdn 88 ff.>) können Gegenstand der Steuerbefreiung sein, da diese nach den Grundsätzen des wirtschaftlichen Eigentums i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO – in Abweichung zum zivilrechtlichen Eigentum – steuerlich dem wirtschaftlichen Eigentümer zugerechnet werden.
Rz. 68
Bebaute Grundstücke i.S.d. § 180 Abs. 1 S. 1 BewG, mithin des § 13d Abs. 3 ErbStG, sind nur solche, auf denen sich benutzbare Gebäude befinden. Die Benutzbarkeit eines Gebäudes beginnt im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit. Ein Gebäude ist als bezugsfertig anzusehen, wenn den künftigen Bewohnern oder sonstigen Benutzern zugemutet werden kann, es zu benutzen. Abzustellen ist – wie für alle Tatbestandsmerkmale des § 13d ErbStG – stets auf den Stichtag, d.h. den Besteuerungszeitpunkt i.S.d. § 9 ErbStG (siehe § 9 Rdn 1 ff.>).
3. Vermietung zu Wohnzwecken
a) Allgemeines
Rz. 69
Ein Grundstück ist zu Wohnzwecken vermietet, wenn für die zweckgebundene Nutzungsüberlassung ein Entgelt geschuldet wird. Die Höhe der vereinbarten Miete ist unbeachtlich. Gleiches gilt für die Person des Mieters. Insbesondere eine Vermietung an nahe Angehörige oder unterhaltsberechtigte Personen ist unschädlich, selbst wenn die Unterhalsabgeltung durch die Wohnraumüberlassung einkommensteuerlich nicht anerkannt wird. Nur eine gänzlich unentgeltliche Überlassung ist nicht begünstigt. Gleiches gilt bei einer Vereinbarung einer nur "symbolischen" Miete bzw. stets im Falle einer missbräuchlichen Gestaltung i.S.d. § 42 AO.
Rz. 70
Die Finanzverwaltung stellt auf die tatsächlichen, nicht auf die rechtlichen Nutzungsverhältnisse zum Besteuerungszeitpunkt ab. In Fällen, in denen eine tatsächliche Nutzung zu Wohnzwecken entgegen öffentlich-rechtlichen Vorschriften von den Parteien übereistimmend vereinbart ist, greift das Privileg grundsätzlich auch. Nutzt ein Mieter zu Wohnzwecken vermieteten Wohnraum abredewidrig zu anderen Zwecken, ist dies für die Steuerbefreiung des Eigentümers unschädlich.
Rz. 71
Eine Vermietung zu Wohnzwecken kann auch dann vorliegen, wenn das Objekt zum Stichtag, mithin zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers, von diesem nicht vermietet, allerdings eine Vermietung vom Erblasser bereits beabsichtigt war. Eine Bestimmung zur Vermietung liegt vor, wenn eine konkrete Vermietungsabsicht des Erblassers bestanden hat und mit deren Umsetzung begonnen worden ist. Erforderlich ist, dass die Vermietungsabsicht des Erblassers und der Beginn deren Umsetzung anhand objektiv na...