1. Einführung
Rz. 168
Vielfach hat der Vermächtnisnehmer die Schwierigkeit, dass er den Beschwerten – dies kann neben dem Erben auch der Hauptvermächtnisnehmer sein –, der das Vermächtnis erfüllen muss, nicht feststellen kann. Grund hierfür könnte sein, dass die Erben unbekannt sind bzw. aus der letztwilligen Verfügung nicht eindeutig hervorgeht, wer Erbe geworden ist. Der Vermächtnisnehmer kann dann zwar einen Erbscheinsantrag stellen, hat jedoch das Kostenrisiko des Erbscheinsverfahrens zu tragen. Weiterer Nachteil ist, dass der Erbschein nicht in materieller Rechtskraft erwächst. Auch bei einer Erbenfeststellungsklage trägt der Vermächtnisnehmer das hohe Prozess- und Kostenrisiko, da die Darlegung der Passivlegitimation ihm obliegt. In diesen Fallgestaltungen hat der Vermächtnisnehmer die Möglichkeit der Beantragung einer Nachlasspflegschaft bzw. einer Klagepflegschaft. Die Anordnung der Nachlasspflegschaft steht im Ermessen des Nachlassgerichts, die Klagepflegschaft ist zwingend beim Vorliegen aller Voraussetzungen anzuordnen. Anschließend kann der Anspruch gegenüber dem Nachlasspfleger durchgesetzt werden.
Praxishinweis
Es sollte der Antrag auf Anordnung der Nachlasspflegschaft mit der hilfsweisen Stellung des Antrags auf Klagepflegschaft verbunden werden.
2. Nachlasspflegschaft (§ 1960 Abs. 2 BGB)
Rz. 169
Der Antrag auf Anordnung der Nachlasspflegschaft empfiehlt sich, wenn Streit über die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung besteht, der Erbe unbekannt oder die Erbschaft noch nicht angenommen worden ist. Fehlt das erforderliche Sicherungsbedürfnis, weil der Nachlass bereits in Besitz genommen worden ist, wird der Antrag abgelehnt werden. Für diesen Fall empfiehlt es sich, bereits hilfsweise den Antrag auf Klagepflegschaft zu stellen, damit kein erneutes Verfahren eingeleitet werden muss.
3. Klagepflegschaft (§ 1961 BGB)
Rz. 170
Nach § 1958 BGB kann vor der Annahme der Erbschaft ein Anspruch gegenüber den Erben nicht gerichtlich geltend gemacht werden. Für diese Fallgestaltung eröffnet die Klagepflegschaft die Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung. Man bedenke, wenn der Erbe im Ausland wohnt, hat dieser sechs Monate Zeit, um die Erbschaft anzunehmen. Die Klagepflegschaft findet ebenfalls für den inländischen Nachlass eines ausländischen Erblassers Anwendung. Dieselben Grundsätze haben Geltung beim Versterben eines Miterben in einer ungeteilten Erbengemeinschaft und dessen Rechtsnachfolger steht noch nicht fest. Nach dem Wortlaut des § 1961 BGB ist die gerichtliche Geltendmachung Anspruchsvoraussetzung. Der Vermächtnisnehmer kann dabei vorher die außergerichtliche Erfüllung des Vermächtnisanspruchs anstreben. Lehnt der Nachlasspfleger dies jedoch ab, ist der Vermächtnisnehmer zur Klageerhebung gezwungen. Die gerichtliche Geltendmachung umfasst auch das Zwangsvollstreckungsverfahren, die Teilungsversteigerung nach den Vorschriften der §§ 189 ff. ZVG und die Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes. Einzige Verteidigungsmöglichkeit des Nachlasspflegers ist die sog. Drei-Monats-Einrede. Er muss jedoch die Auskunftsansprüche erfüllen und der Nachlass muss liquide sein. Die Einrede ist jedoch kein Prozesshindernis, sondern führt nur zum Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung im Urteil.