Dr. iur. Tobias Spanke, Walter Krug
1. Bei der Einheitslösung
Rz. 463
Bei der Einheitslösung kommt es durch die gegenseitige Vollerbeneinsetzung der Ehegatten regelmäßig zu einer Enterbung der Abkömmlinge nach dem Tod des Erstversterbenden. Die Abkömmlinge, die bei der Einheitslösung zu Schlusserben nach dem Tod des Längerlebenden berufen sind, können, ohne einen Erbteil ausschlagen zu müssen, ihren Pflichtteil verlangen. Um dem hierdurch eintretenden vorzeitigen Vermögensabfluss vorzubeugen, besteht die Möglichkeit, sogenannte Pflichtteilsklauseln in das Testament mit aufzunehmen.
Rz. 464
Eine mögliche Pflichtteilsklausel sieht vor, dass der Überlebende im Falle der Geltendmachung von Pflichtteilen von der Bindungswirkung befreit wird und so selbst entscheiden kann, ob er denjenigen, der den Pflichtteil geltend macht, von der Erbfolge ausschließt.
Rz. 465
Eine weitere Möglichkeit ist die sogenannte einfache Pflichtteilsklausel. Die Ehegatten bestimmen hier, dass im Falle der Geltendmachung eines Pflichtteils der Abkömmling auch für den zweiten Todesfall enterbt ist.
Rz. 466
Formulierungsbeispiel: Einfache Pflichtteilsklausel
Macht einer unserer Abkömmlinge nach dem Tod des Erstversterbenden gegen den Willen des überlebenden Ehegatten Pflichtteilsrechte geltend, dann ist er mit seinem ganzen Stamm sowohl für den ersten als auch für den zweiten Erbfall von der Erbfolge einschließlich angeordneter Vermächtnisse und Auflagen ausgeschlossen.
Eine Geltendmachung im Sinne vorstehenden Absatzes liegt vor, wenn der Berechtigte Pflichtteilsrechte in einer den Verzug begründenden Weise geltend macht. Dem gleichgestellt ist der Fall, dass der Berechtigte einen Wertermittlungsanspruch geltend macht. Das bloße Auskunftsverlangen führt dagegen nicht zum Eintritt der Bedingung und nicht zu einer Enterbung im Schlusserbfall.
Die hier angeordnete auflösend bedingte Schlusserbeinsetzung wird in nicht wechselbezüglicher und nicht bindender Weise getroffen, so dass der überlebende Ehegatte die Möglichkeit hat, die Enterbung für den Schlusserbfall zu widerrufen bzw. abzuändern. Er kann jedoch nur den Zustand wieder herstellen, der vor Eintritt der Enterbung bestanden hat. Er ist nicht berechtigt, eine andere Schlusserbfolge anzuordnen.
Rz. 467
Die weitergehende Klausel ist die sogenannte Jastrow'sche Klausel (Pflichtteilsstrafklausel). Dabei erhalten diejenigen Abkömmlinge, die keinen Pflichtteil geltend machen, einen zusätzlichen Vermächtnisanspruch nach dem Tod des Erstversterbenden, der jedoch erst mit dem zweiten Todesfall anfällt. Die "Bestrafung" tritt dadurch ein, dass sich der Nachlass des Längerlebenden so erheblich reduziert und damit den Pflichtteil nach dem zweiten Todesfall schmälert. Zur erbschaftsteuerlichen Behandlung durch die Finanzverwaltung vgl. R E 6 S. 5 ErbStR 2011.
Rz. 468
Der überlebende Ehegatte ist im Falle der Pflichtteils- und Pflichtteilsstrafklausel an die Enterbung gebunden. Zwar kann die bloße Enterbung gemäß § 2270 Abs. 3 BGB nicht wechselbezüglich sein, ihr kann jedoch mittelbar eine wechselbezügliche Wirkung zukommen, wenn sie mit einer Schlusserbeneinsetzung verbunden ist. Stellt sich nun heraus, dass der Abkömmling, der den Pflichtteil geltend gemacht hat, sich gegenüber dem überlebenden Ehegatten dankbar erweist, so wäre es zweckmäßig, wenn der überlebende Ehegatte die Enterbung für den zweiten Todesfall widerrufen könnte. Es ist insoweit an eine für diese Pflichtteilsklauseln geltende Abänderungsbefugnis zu denken.
Da es sich bei der Pflichtteilsklausel dogmatisch um eine Erbeinsetzung unter der auflösenden Bedingung des Verlangens des Pflichtteils nach dem Erstversterbenden handelt, tritt die durch Bedingungseintritt weggefallene Schlusserbeinsetzung nicht dadurch wieder in Kraft, dass der Pflichtteil später zurückgezahlt wird.
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ohne ausdrückliche Regelung im Testament bereits durch Auskunftsverlangen oder der Geltendmachung des Wertermittlungsanspruchs der Tatbestand einer Pflichtteilsklausel erfüllt wird vgl. Sarres, ZEV 2004, 407.
Zu der Problematik, inwieweit sich aus der bloßen Pflichtteilsklausel im Wege der Auslegung eine Schlusserbeinsetzung der gemeinsamen Kinder ergibt vgl. OLG Hamm ZErb 2016, 21; OLG München NJW-RR 2015, 775; OLG Düsseldorf NJW-RR 2014, 837; OLG Hamm NJW-RR 2004, 1520; OLG Karlsruhe ZEV 2006, 409; Fischer, ZEV 2005, 189.
Zur Möglichkeit der Auslösung einer Pflichtteilsklausel auch noch nach dem Tod des Längstlebenden vgl. BGH ZEV 2006, 501 mit krit. Anm. Fischer.
Zur Auslegung einer Pflichtteilsklausel, wenn Kinder jeweils nur von einem der testierenden Ehegatten abstammen, vgl. OLG Celle BeckRS 2009, 88798.
Zum Eingreifen der Pflichtteilsstrafklausel auch für den Fall, dass ein Kind die Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testamentes geltend macht und seinen gesetzlichen Erbteil fordert, vgl. OLG München NJW-RR 2011, 1164.