Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
aa) Die Maßstäbe der Rechtsprechung
Rz. 348
Der BGH hat den Betreuungsunterhalt zur absoluten Nr. 1 in seinem "Kernbereichs-Ranking" gemacht.
Das bedeutet zunächst, dass die frühere Rechtsprechung des BGH und die frühere Vertragspraxis, die Unterhaltshöhe auch bis zum notwendigen Selbstbehalt herabzusetzen, obsolet sind. Das Bundesverfassungsgericht und der BGH gehen, wie aufgezeigt, davon aus, dass ein –zumindest nicht unwesentlicher – Verzicht oder ein Teilverzicht auf Betreuungsunterhalt im Ergebnis das Kindeswohl beeinträchtigt.
Allerdings führt insbesondere die vom Gesetz und vom BGH vorgenommene Aufteilung zwischen kindbezogenen und elternbezogenen Gründen zu folgenden Einschätzungen:
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Unterhaltsverzichte und Unterhaltsbeschränkungen bis zum 3. Lebensjahr des jüngsten Kindes sind regelmäßig sehr problematisch. |
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Sprechen kindbezogene Gründe für eine vollständige oder teilweise Verlängerung des Betreuungsunterhalts über das dritte Lebensjahr hinaus, liegt also ein Billigkeitsgrund i.S.v. § 1570 I 2 BGB vor, ist ein Verzicht nur dann nicht problematisch, wenn andere kindgerechte Betreuungsmöglichkeiten gegeben sind. |
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Ein abrupter Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeittätigkeit ist zu vermeiden. |
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Bei Beachtung der subjektiven Gesichtspunkte besteht grundsätzlich volle Vertragsfreiheit, wenn es sich um elternbezogene Gründe i.S.v. § 1570 Abs. 2 BGB handelt. |
Rz. 349
Hinsichtlich der Höhe des Unterhalts sollte bei einfachen und mittleren finanziellen Verhältnissen die Vereinbarung eines geringeren als des gesetzlichen Unterhalts (§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGB) vermieden werden. Bei großzügigen Verhältnissen kann eine höhenmäßige Begrenzung durchaus in Frage kommen.
Rz. 350
Maßstab ist aber auch hier das Kindeswohl; das bedeutet, dass die Unterhaltsbegrenzung nicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zwingen darf, um den ehelichen Lebensstandard zu wahren.
In diesem Zusammenhang hat das OLG Oldenburg angemahnt, dass bei einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch von 6.000 EUR ein vertraglich auf 1.500 EUR beschränkter Unterhalt zu gering ist.
Allerdings stellt der BGH grundsätzlich fest, dass selbst bei einem Vertrag mit einer Schwangeren der Betreuungsunterhalt i.S.v. § 1570 BGB abweichend von den gesetzlichen Vorschriften geregelt werden kann und auch nicht immer der eheangemessene Unterhalt erreicht werden muss.
bb) Mögliche Vereinbarungen zum Unterhaltsverzicht
Rz. 351
Ist nicht geplant, dass Kinder aus der Ehe hervorgehen, sei es, dass in höherem Alter geheiratet wird oder andere Gründe vorliegen, ist eine Vereinbarung wie folgt denkbar.
Muster 7.93: Vollständiger Unterhaltsverzicht in höherem Alter
Muster 7.93: Vollständiger Unterhaltsverzicht in höherem Alter
1. |
Die Ehegatten verzichten gegenseitig auf alle gesetzlichen Ansprüche auf Unterhalt nach der Scheidung, also auch für den Fall der Not und nehmen diesen Verzicht gegenseitig an. Der Verzicht gilt auch im Falle einer Gesetzesänderung oder der Änderung der Rechtsprechung. |
2. |
Der Grund für den Verzicht liegt darin, dass wir in höherem Alter heiraten und deshalb nicht davon ausgehen, dass Kinder aus unserer Ehe hervorgehen. Im Übrigen sind wir Beide für den Fall von Alter und/oder Krankheit durch Vermögen abgesichert. |
3. |
Der Notar hat uns über die Folgen dieses Unterhaltsverzichts belehrt, insbesondere über das Risiko, dass im Falle der Scheidung jeder für sich selbst für den eigenen Unterhalt zu sorgen hat. |
Rz. 352
Wollen die Ehegatten selbstbestimmt leben, kann wie folgt formuliert werden.
Muster 7.94: Vollständiger Unterhaltsverzicht bei wirtschaftlicher Selbstständigkeit
Muster 7.94: Vollständiger Unterhaltsverzicht bei wirtschaftlicher Selbstständigkeit
1. |
Die Beteiligten verzichten wechselseitig auf jeglichen nachehelichen Unterhalt, auch für den Fall der Not. Sie nehmen den Verzicht gegenseitig an. Der Verzicht gilt auch im Falle einer Gesetzesänderung oder der Änderung der Rechtsprechung. |
2. |
Bei diesem Verzicht gehen die Beteiligten von ihrer gegenwärtigen jeweils voll existenzsichernden beruflichen und vermögensmäßigen Situation davon aus, dass beide während der Ehe berufstätig bleiben und Kinder nicht erwünscht sind. |
3. |
Der Notar hat uns über die Folgen dieses Unterhaltsverzichts belehrt, insbesondere über das Risiko, dass im Falle der Scheidung jeder für sich selbst für den eigenen Unterhalt zu sorgen hat. |
Für den Fall einer Änderung der Verhältnisse werden Eheleute dann aber ggf. eine Änderung im Wege einer Ausübungskontrolle hinnehmen müssen.
cc) Vereinbarung zur Anrechnung von Einkünften
Rz. 353
§ 1570 Abs. 1 S. 1 BGB gewährt einen Basisunterhalt für die ersten drei Lebensjahre des Kindes. Für diese ersten drei Lebensjahre gilt der Vorrang elterlicher Betreuung. Auch dann, wenn eine Fremdversorgung möglich wäre, kann der betreuende Elternteil sich frei entscheiden, das Kind selbst zu betreuen oder auch alternativ einer Arbeitstätigkeit nachzugehen.