Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 312
Bei den gebotenen Abwägungen sind die Belange eines gemeinschaftlichen Kindes, das von dem geschiedenen, in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten betreut wird, durch die "Kinderschutzklausel" im Einleitungssatz des § 1579 BGB zu wahren. Im Einzelfall ist zu prüfen, inwieweit der eheangemessene Unterhalt auf das zur Kindesbetreuung erforderliche Maß reduziert werden kann oder inwieweit der betreuende Elternteil – beispielsweise nach dem dritten Lebensjahr des Kindes – durch eine Teilzeiterwerbstätigkeit zum eigenen Unterhalt beitragen kann. Es kommt also auch der frühere Beginn einer Erwerbsobliegenheit in Betracht. Zu prüfen ist konkret, ob eine Verwirkung des Betreuungsunterhalts nach den weiteren Lebensumständen der Antragsgegnerin unmittelbare negative Auswirkungen auf die Lebensumstände des gemeinsamen Kindes haben würde.
Die Belange eines gemeinsamen Kindes sind aber bereits dann gewahrt i.S.v. § 1579 BGB, wenn die dazu erforderlichen Mittel von anderer Seite erlangt werden können, etwa von dem leistungsfähigen nichtehelichen Partner, in Form von Sachleistungen oder sonstigen Vorteilen aus dem Zusammenleben. Während freiwillige Leistungen eines neuen Partners zwar den Unterhaltsbedarf zunächst nicht mindern, sind sie also im Rahmen der Billigkeitsabwägung nach § 1579 BGB gleichwohl zu berücksichtigen.
Rz. 313
Praxistipp
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Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Erwerbsobliegenheiten auch bei Betreuung von Kindern durch das neue Unterhaltsrecht bereits erheblich verschärft worden sind. |
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Die Kinderschutzklausel ist daher nicht mehr am alten Altersphasenmodell zu orientieren, sondern an den strengeren Regelungen des § 1570 Abs. 1 BGB. |
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In der Praxis wird sich die Frage stellen,
- ob im Zusammenwirken mit § 1579 BGB noch deutlich strengere Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit zu stellen sind oder
- ob weiterhin die Betreuung eines jüngeren Kindes den Unterhaltsanspruch – jedenfalls bis zur Höhe des Mindestbedarfes – gegen eine Kürzung wegen § 1579 BGB schützt.
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Rz. 314
Zitat
OLG Oldenburg v. 13.3.2009 – 11 UF 100/08
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin stehen die Belange der Kinder einer Versagung des Unterhalts auch nicht entgegen. Für § 1579 BGB gilt ein anderer Maßstab als für § 1578b BGB. Insoweit ist die von ihr zitierte Gesetzesbegründung nicht einschlägig. Die Eingriffsschwelle ist bei § 1579 BGB deutlich herabgesetzt. Die Pflege und Erziehung der Kinder ist dann gesichert, wenn die dem betreuenden Ehegatten verbleibenden Mittel das Maß übersteigen, was er zur Deckung seines Mindestbedarfs benötigt (Weinreich/Klein-Klein, Fachanwaltskommentar Familienrecht, 3. Aufl., § 1579 Rn 106; Prütting/Wegen/Weinreich, BGB Kommentar, 2. Aufl., § 1579 Rn 25; BGH FamRZ 98, 541). Eine weitere Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensverhältnisse ist nicht notwendig. Der Antragsgegnerin verbleiben aber unter Berücksichtigung ihres fiktiven Einkommens von 800 EUR nach Abzug einer Berufspauschale von 5 % noch rund 760 EUR. Berücksichtigt man dann noch eine gewisse Ersparnis durch eine gemeinsame Haushaltsführung mit ihrem neuen Lebensgefährten verbleibt ihr mindestens das gesetzliche Existenzminimum. Die Antragsgegnerin kann die Berufstätigkeit auch ausüben, während die Kinder in der Schule sind, so dass eine Fremdbetreuung nicht notwendig ist.