Sebastian Kubik, Dr. iur. Franz-Thomas Roßmann
a) Anwendungsbereich
Rz. 103
Von der verfahrensrechtlichen Auskunftspflicht und Pflicht zur Belegvorlage werden die Unterhaltssachen nach § 231 Abs. 1 FamFG umfasst, also Verfahren, welche die durch Verwandtschaft begründete gesetzliche Unterhaltspflicht, die durch die Ehe begründete Unterhaltspflicht und die Ansprüche nach § 1615l oder § 1615m des Bürgerlichen Gesetzbuches betreffen.
Das bedeutet, dass die Vorschrift in Verbundverfahren nach § 137 FamFG, bei Stufenanträgen sowie bei Anträgen auf Ersatz entgangenen Unterhalts bzw. Rückzahlung zuviel gezahlten Unterhalts Anwendung findet. Auch bei Abänderungsanträgen und Anträgen aus übergeleiteten Recht nach § 33 SGB II, § 94 SGB XII, § 7 UVG, § 37 BAföG ist die Vorschrift anwendbar.
Rz. 104
Unanwendbar ist die Vorschrift im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger nach §§ 249 bis 260 FamFG, da das vereinfachte Verfahren Spezialregelungen hinsichtlich der Auskunftsverpflichtung des Unterhaltspflichtigen enthält (vgl. § 252 Abs. 2).
Nicht umfasst werden von der Vorschrift Unterhaltssachen nach § 231 Abs. 2 FamFG.
b) Art und Umfang der Auskunftspflicht
Rz. 105
Nach § 235 Abs. 1 S. 1 FamFG kann das Gericht anordnen, dass der Antragsteller und der Antragsgegner Auskunft über ihre Einkünfte, ihr Vermögen und ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erteilen sowie bestimmte Belege vorlegen, soweit dies für die Bemessung des Unterhalts von Bedeutung ist. § 235 Abs. 1 S. 1 FamFG entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem bisherigen § 643 Abs. 1 ZPO.
Die Einholung von Auskünften nach § 235 Abs. 1 S. 1 FamFG liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts ("das Gericht kann anordnen"). In Ausübung seines Ermessens wird das Gericht jedoch immer dann Erteilung einer Auskunft und auch die Vorlage von Belegen verlangen, wenn eine Verfahrensverzögerung zu befürchten ist oder die Beteiligten ihre Verfahrensförderungspflicht verletzen.
Rz. 106
Die Auskunftsregelung nach § 235 Abs. 1 FamFG ist rein verfahrensrechtlicher Natur und leitet sich aus dem Rechtsverhältnis der Beteiligten zum Gericht ab. Dennoch orientiert sich § 235 Abs. 1 FamFG an den materiell-rechtlichen Auskunftspflichten, insbesondere dem Wortlaut des § 1605 Abs. 1 BGB. Darüber hinaus erstreckt sich die Auskunftsverpflichtung auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.
Gefordert wird eine schriftlich verkörperte, systematische Zusammenstellung aller maßgeblichen Umstände, die ohne fremde Erläuterung von einem verständigen Empfänger verstanden und nachvollzogen werden kann. Die Auskunft muss konkret und nachvollziehbar sein und alle Angaben enthalten, auf deren Grundlage eine verlässliche Feststellung des jeweiligen Unterhaltsanspruchs dem Grunde und der Höhe nach möglich ist.
Rz. 107
Verdeutlicht wird, dass Auskunft und Belegvorlage nur angeordnet werden darf, soweit dies für die Bemessung des Unterhalts von Bedeutung ist. Das ist beispielsweise nicht der Fall, wenn die Auskunftserteilung den Unterhaltsanspruch evident unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen kann. Ordnet das Gericht die Vorlage entsprechender Belege an, sind diese konkret zu bezeichnen. Dabei dürfen nur vorhandene Belege angefordert werden; eine Pflicht zur Erstellung von Belegen beinhaltet § 235 Abs. 1 S. 1 FamFG nicht.
c) Persönliche Versicherung der Richtigkeit
Rz. 108
Nach § 235 Abs. 1 S. 2 FamFG kann das Gericht anordnen, dass die Verfahrensbeteiligten schriftlich versichern, dass die Auskunft wahrheitsgemäß und vollständig erteilt wurde. Die Versicherung muss durch die Beteiligten persönlich abgegeben werden. Sie können sich hierzu nicht eines Vertreters – auch nicht eines Verfahrensbevollmächtigten – bedienen.
Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der verfahrensrechtlichen Auskunftspflichten angestrebt, die zeitintensiven Stufenklagen in Unterhaltssachen möglichst weitgehend entbehrlich zu machen. Daher wird dem Gericht ein Instrumentarium an die Hand gegeben, das – wenigstens zum Teil – die Funktion der zweiten Stufe (eidesstattliche Versicherung) einer Stufenklage erfüllt. Da diese zweite Stufe in Unterhaltssachen oftmals nicht beschritten wird, erscheint es dem Gesetzgeber als ausreichend, dass das Gericht zunächst eine schriftliche Versicherung verlangen kann. Diese muss jedoch – wie die eidesstattliche Versicherung auch – vom Verpflichteten selbst und nicht von einem Vertreter abgegeben werden.
Rz. 109
Die schriftliche Versicherung nach § 235 Abs. 1 S. 2 FamFG ist der eidesstattlichen Versicherung nicht ebenbürtig, insbesondere ist sie nicht strafbewehrt. Letztlich stellt sie sich als eine Art Zwitter zwischen Vervollständigung der Auskunft und Versicherung an Eides statt dar. Falsche Angaben zu den verlangten Auskünften könnten den Tatbestand des versuchten Prozessbetruges erfüllen.