Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 41
Es kann vorkommen, dass das Gericht – vor Stellung der Sachanträge – mitteilt, dass der bisherige Sachvortrag einer Partei unvollständig oder kein erforderlicher Beweis angetreten worden ist.
Rz. 42
Kann der Sachverhalt durch ergänzende Fragen nicht geklärt werden und hat eine Partei schlicht prozessual grob nachlässig unvollständig vorgetragen und erhält sie deshalb keine Frist zum ergänzenden Sachvortrag, dann fehlt es an substantiiertem Sachvortrag.
Rz. 43
Es reicht dann eventuell für diese Partei nicht aus, dass im Termin der noch fehlende Vortrag mündlich dem Gericht mitgeteilt wird, es sei denn, diese weiteren Informationen bleiben unstreitig, werden also von der anderen Partei nicht in Frage gestellt. Will die Gegenseite aber bestreiten, dann könnte eben diese Ergänzung der Angaben in der mündlichen Verhandlung verspätet sein. Die rechtliche Folge der Verspätung ist, dass dieser Vortrag vom Gericht nicht zugelassen und verwendet werden wird, § 296 ZPO. Der Rechtsstreit kann dann allein deswegen verlorengehen. Man kann auch eine etwaige Berufung nicht mehr darauf stützen, weil erstinstanzlich zu Recht zurückgewiesenes Vorbringen auch in zweiter Instanz ausgeschlossen bleibt, § 531 Abs. 1 ZPO. Das Gericht wird deutlich zu erkennen geben, wenn es den Sachvortrag für unsubstantiiert hält.
Rz. 44
Wäre eigener ergänzender Sachvortrag verspätet, bleibt die einzige prozessuale Möglichkeit, nicht zu verhandeln, indem kein Sachantrag gestellt wird. Der Kläger, dessen bisheriger Sachvortrag unvollständig ist, würde also seinen angekündigten Klageantrag nicht stellen. Er würde dann vom Gericht so behandelt, als sei er nicht anwesend. Es würde ein Versäumnisurteil ergehen, gegen das der Kläger Einspruch einlegen kann. Mit dem Einspruch kann er seinen Sachvortrag dann vervollständigen.
Rz. 45
Diese "Flucht in die Säumnis" kann auch für den Beklagten angewendet werden. Er würde dann keinen Klageabweisungsantrag stellen und sich als fehlend behandeln lassen. Diese Option besteht indes nur, solange noch kein Sachantrag (i.d.R. auf Klageabweisung) zu Protokoll gestellt worden ist.
Rz. 46
Das Gericht muss im Übrigen darauf hinwirken, dass kein angekündigter Antrag vergessen wird, und dass der Antrag zur Zwangsvollstreckung geeignet ist. Das Gericht muss helfen, unzulässige Anträge richtigzustellen und bei mehreren Anträgen deren Verhältnis zueinander klären.